2. Dyke March Lüneburg 2023

Auf dem ersten Dyke March hatte ich am Sande einen kleinen Beitrag gemacht. Hier folgt meine Rede auf dem zweiten Dyke March:

Am Donnerstag war ich als Zeitzeugin bei einem lesbischen Filmproduktionsteam eingeladen und im Anschluss sprachen wir über unsere Erfahrungen als ältere Frauen. Eine Lesbe erzählte, wie sie in der Hamburger Frauenkneipe Mitte der 80er Jahre nicht bedient wurde, weil sie lange Haare hatte. Ich selber wurde dort rausgeschmissen, weil ich eine junge trans Frau war. Wir beide waren nur noch ein einziges Mal danach dort, beide mit Freundinnen. Mein Lebensgefährte hat als Junglesbe übrigens eine vergleichbare Erfahrung in der Lesbengruppe des mhc gemacht. 

Für uns alle hatte diese Erfahrung gravierende Folgen, wir hielten uns von da an, aus diesen lesbischen Strukturen fern.

Alter Kran

Was ist eine Lesbe? Was ist eine Frau? 

Darüber haben wir keine Einigkeit, es gibt darüber kein gemeinsames Verständnis. Nicht einmal die Wissenschaft liefert einfache Antworten. 

Trotzdem geben sich einige von uns einfache Antworten. Sich selber Antworten zu geben, auch einfache, ist das Recht von jeder von uns.

Aber!

Diese Antworten schließen eine große Gruppe Lesben und Frauen aus. 

Es diskriminiert, es hinterlässt lebenslange Verletzungen, lebenslange Narben, die sich nicht mehr ganz heilen lassen. Die wir in uns tragen und in unsere Beziehungen nehmen und die uns manchmal einsam machen. 

Das sind die Verletzungen, die wir uns gegenseitig zufügen und die sind deshalb besonders schlimm, weil wir uns so nahe stehen.

Deshalb stehen wir, die trans Community, solidarisch hinter den Forderungen von dyke march germany:

– Mehr Sichtbarkeit der vielfältigen Lesben und frauenliebenden Frauen, Lesben, inter, nicht binäre, trans und agender Menschen (FLINTA) ohne stereotypische Zuordnungen und Beschreibungen.

– Mehr Raum und Räume für Lesben* in der queeren Szene

– Aktive Prävention, Sichtbarmachung und aktiver Schutz von Gewalt, Hassverbrechen und sexualisierte Gewalt gegen FLINTA.

– Solidarisches Einstehen unter FLINTA füreinander und gegenseitiges Empowerment: Lesben und FLINTA, verbündet euch und lasst uns gemeinsam auf die Straße gehen!

Je mehr lesbische Sichtbarkeit, desto besser!

L withthe T – not a debate

ALL DYKES* ARE BEAUTIFUL

Geschlechter- und Altersverteilung bei Transsexualität

Überblick

  1. Anteil queerer Menschen in Deutschland:
    7,3% LGBT (Zandt, 2022) bis
    14% LGBTI+  (OECD, 2023)
  2. Anzahl Menschen, die sich als trans bezeichnen:
    0,8% trans Männer in den USA (Jones, 2022 („transg. woman“)) entsprächen in Deutschland: 337.000 trans Männer  (Bundesamt, 2021)
    0,6% trans Frauen in den USA (Jones, 2022 („transg. men“)) entsprächen in Deutschland: 246.000 trans Frauen (Bundesamt, 2021)
    Das Verhältnis trans Männer zu trans Frauen beträgt 1,4 zu 1, mit einer jährlichen Steigerung seit 2012 von 5,6% (Kost, 2023).
    3% bezeichnen sich in Deutschland als “nicht cisgender”  (OECD, 2023)
  3. Zahlen zu Transgeschlechtlichkeit:
    2,4% der 13 bis 18 Jährigen bezeichnen sich als “divers” in der SCHULBUS Studie (Baumgärtner, 2023)
    2,1% der 1995-2012 geborenen bezeichnen sich als transgender in den USA  (Jones, 2022)
  4. dgti Ergänzungsausweis (Regh, Wißgott, & Weitzel, 2021)
    20.674 (1999 bis 2022)
    3.455 (2021) M 1.678, F 959, NB 818; 1,5:1:0,5
    5.587 (2022) M 2.460, F 1.422, NB 1.705; 1,7:1:1,2
  5. Verfahren nach Transsexuellengesetz (TSG) (Justiz, 2022)
    36.505 (1985 bis 2021)
    2.582 (2019) + §45 1.036
    2.687 (2020) + §45 549
    3.232 (2021)
  6. Detransitionen (Weitzel, 2021)
    0,43% (2019) oder
    1% (Kost, 2023) ergäbe auf der Basis des TSG im Jahr 2021 höchstens 32 Detransitionierende in ganz Deutschland, mit einer Verteilung von 1,8 trans Frauen zu 1 trans Mann.
  7. Geschlechtsangleichende Operationen (Brandt, 2021) und (Radtke, 2022)
    2.155 (2020), u20=144, u18=20, u15=keine, F=1.462, M=693, 2,1:1
    2.598 (2021), u20=190, u18=?, u15=keine, F=1.719, M=879, 2:1

Zum Vergleich:

16.000 Mädchen unter 14 Jahren verletzen sich jährlich beim Pferdesport (Roggenkamp, 2016), 3.000 (18,4%) zogen sich Verletzungen am Kopf zu.

808.507 verschiedene Eingriffe wurden 2020 in Deutschland am Rücken durchgeführt (Blech, 2022). 85% der Rückenschmerzen haben keine erkennbare organische Ursache und nur 5% der Rückenoperationen waren gerechtfertigt.

Quellen

 

Detransition

Es gibt in dem grundsätzlichen Umgang mit trans Geschlechtlichkeit einen relevanten fachlichen Denkfehler. Es ist die Idee vom „Geschlechtswechsel“ oder der „Geschlechtsumwandlung“. Darauf beruhen die binären Setzungen der mds-Richtlinie. Sie beeinflussen die sich darauf stützenden Behandlungsansätze und den Begutachtungsprozess. Sie implizieren Erwartungen bei Behandelnden und Begutachteten an Lebensläufe, Indikationskriterien, Rollenerwartungen, Sexualität, Passing und viele weitere Faktoren, die mit „richtig“ und „falsch“ gelabelt werden. Es gibt einen bewussten und unbewussten Druck, dem binären System zu entsprechen, obwohl das möglicherweise gar nicht passend ist.

Der Weg zum eigenen Geschlecht ist selten gradlinig, sondern für die meisten trans Menschen mit Irrungen, Versuchen und Umwegen verbunden. Deshalb ist Detransition ein wichtiges Thema, also ob es ein Anliegen war, die Geschlechtsangleichung oder Teile davon rückgängig zu machen. Transition wird nicht als gradliniger Prozess verstanden und das wird in der Beratung besonders berücksichtigt. Abbrüche und Pausen sind ausdrücklich erwünscht. Denn nichts ist fataler, als wenn von therapeutischer Seite binäre Transitionen eingefordert und forciert werden.

Es gibt für Deutschland keine öffentlichen Zahlen zur Detransition (Wilken, 2022). Trotzdem oder vielleicht sogar deshalb, geistert die Frage des „Bereuens“ der Transition wie ein Schreckgespenst durch die mediale Berichterstattung. Seit 2019 war für 14 Menschen Detransition ein Anliegen in der Beratung (Kost, 2023). Das entspricht einem Anteil von 1% und ist vergleichbar mit den Ergebnissen einer Untersuchung von Rückabwicklungen über das Transsexuellengesetz im Zeitraum von 2005-2014 (Weitzel, 2021). Die dortige Quote ergab 0,43% Rückabwicklungen.

Von 14 detrans Personen waren 5 trans Männer, von denen 4 zurück zu Frauen und 1 zu nicht binär detransitionierten. 9 Personen waren trans Frauen, von denen nur eine zurück zum Mann detransitionierten und 89% ihren geschlechtlichen Status nicht in die Binarität kategorisierten. Das Verhältnis der Geschlechter beträgt 1,8 trans Frauen zu 1 trans Mann, es sind also eher die trans Frauen, die detransitionieren.

Der Altersdurchschnitt betrug bei den trans Männern 30 Jahre und liegt 7 Jahre hinter den 24 Jahren, mit denen im Schnitt mit der Transition begonnen wurde. Die trans Frauen detransitionieren im Schnitt mit 39 Jahren, das liegt ebenfalls 7 Jahre nach den 31 Jahren Transitionsbeginn.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass 94% der trans Kinder, die sehr früh transitionieren, auch nach einem Zeitraum von 5 Jahren nach ihrer sozialen Transition bei ihrer Aussage bleiben, dass ihnen das falsche Geschlecht bei Geburt zugewiesen wurde (Olson, Durwood, Horton, Gallagher, & Devor, 2022). Nur 2,5% kehren zum Zuweisungsgeschlecht zurück, 3,5% identifizieren sich als nicht-binär und 1,3% sind zunächst nicht-binär, dann cis und letztlich binär trans. Die These, dass der überwiegende Anteil von sich geschlechtsdivers einordnenden Kinder, nach der Pubertät homosexuell würden, ist schlicht falsch.

Eine der größten Analysen zum Thema Detransition, mit Daten aus dem U.S. Transgender Survey, ergab, dass 8% Phasen von Detransitionen auf ihrem Weg erlebten (Turban, Loo, Almazan, & Keuroghlian, 2021). Die Gründe dafür lagen bei 82,5% an externen Faktoren, wie Druck durch die Familie und gesellschaftliche Stigmatisierung. Für den kleineren Teil, 15,9 % der Befragten, waren es innere Faktoren, darunter Schwankungen der Geschlechtsidentität oder Unsicherheiten.

Die Veränderungsdynamik zur Detransition ist also bei Menschen, die sehr früh transitionieren leicht erhöht mit 2,5%, als wenn sie später transitionieren mit 1%. Für die praktische Arbeit hat das keine Auswirkungen, weil es sich um absolute Einzelfälle in Deutschland handelt.

 

Literaturverzeichnis

Kost, C. (2023). Geschlechter- und Altersverteilung bei Transsexualität, 4Be 2019-2022 (N=1.370). Hamburg: Therapiehilfe gGmbH.

Olson, K., Durwood, L., Horton, R., Gallagher, N., & Devor, A. (04. 05 2022). Gender Identity 5 Years After Social Transition. Pediatrics. Abgerufen am 28. 05 2022 von https://doi.org/10.1542/peds.2021-056082

Turban, J., Loo, S., Almazan, A., & Keuroghlian, A. (31. 03 2021). Factors Leading to “Detransition” Among Transgender and Gender Diverse People in the United States: A Mixed-Methods Analysis. LGBT Health, 8(4)(May-Jun 2021), S. 273-280. doi:10.1089/lgbt.2020.0437

Weitzel, P. (2021). Ist Detransition ein Thema? Frankfurt: dgti. Abgerufen am 28. 05 2022 von https://www.facebook.com/dgtiev/posts/pfbid02KYLwGD8PqTqqph9mYEp3U6JoHqSndcgBEP4wgnHtAmezDDoPRinLpBpswPFYj7XJl

Wilken, J. (28. 09 2022). dgti.org. Abgerufen am 23. 02 2023 von Detransition, Fakten und Studien: https://dgti.org/2022/09/28/jenny-wilken-detransition-fakten-und-studien-9-2-2022/

Für einen Paradigmenwechsel in der trans Therapie

Das System der Zweigeschlechtlichkeit spielt im Zusammenhang mit trans Geschlechtlichkeit eine wesentliche Rolle, wenn es um körpermodifizierende und kassenfinanzierte Behandlungen geht. Das Bundesverfassungsgericht 2017 [1], als auch der Bundesgerichtshof 2020 [2] haben deutliche Entscheidungen für die Mehrgeschlechtlichkeit von Menschen getroffen. Entgegen dieser klaren Rechtssprechung, haben sich die gesetzlichen Krankenkassen in ihrer Begutachtungsanleitung aus dem Jahr 2020 (3) für den Ausschluss von nicht-binären Geschlechtern entschieden. Es muss deshalb bezweifelt werden, dass die mds-Richtlinie rechtskonform ist.

Es gibt in dem grundsätzlichen Umgang mit trans Geschlechtlichkeit die Idee vom „Geschlechtswechsel“. Zwingende Folge ist das Dogma einer Transition. Es ist nicht nur der Wunsch vieler Menschen, die nach Hilfe suchen, es ist gleichzeitig eine Erwartungshaltung. Das beeinflusst die Behandlungsansätze und den Begutachtungsprozess. Es impliziert Ansprüche bei Behandler_innen und Begutachteten an Lebensläufe, Indikationskriterien, Rollenerwartungen, Sexualität, Passing und viele weitere Faktoren, die mit „richtig“ und „falsch“ gelabelt werden. Es gibt einen bewussten und unbewussten Druck, dem binären System zu entsprechen, obwohl das möglicherweise gar nicht passend ist.

Die Grundlage für die binären Setzungen der mds-Richtlinie in zwei Geschlechter ist das „Identitätsmodell“ des Geschlechts. Der Identitätsansatz trennt zwischen körperlichem Geschlecht (sex) und psychosozialem Geschlecht (gender) und führt direkt zur weit verbreiteten Idee von einem „Geschlechtswechsel“ im Zusammenhang mit trans. Das psychosoziale Geschlecht, die Geschlechtsidentität passe nicht zum körperlichen oder biologischen Geschlecht und deshalb müsse der Körper „angeglichen“ werden, das Geschlecht wird gewechselt.

Die „Geschlechtsidentität“ ist das subjektive Gefühl eines Menschen, sich weiblich, männlich oder anders zu erleben. Sie entsteht als viele Jahre andauernder Entwicklungsprozess, bis über die Pubertät hinaus. Die „Identität“ wird abgegrenzt von der „Geschlechtsrolle“. Das ist die Gesamtheit der kulturell erwarteten, als angemessen betrachteten und zugeschriebenen Fähigkeiten, Interessen, Einstellungen und Verhaltensweisen.

Es gibt 4 Ebenen der Geschlechtsentwicklung: psychisches Geschlecht (gender identity), soziales Geschlecht (role), körperliches Geschlecht (sex) und den kulturellen Kontext.

Die psychosoziale Geschlechtsentwicklung wird gekennzeichnet durch:
1. Geschlechtsidentität (gender identity)
2. Geschlechtsrolle (gender role)
3. Sexuelle Orientierung (sexual orientation)
die zusammen als psychosexuelle Trias bezeichnet werden.

Der Identitätsansatz und die daraus resultierende Binarität der Geschlechter ist in ihrem Bestehen eine Herrschaftsstruktur (Berliner, 2022), die trans Menschen durch ihre Existenz und Performanz infrage stellen. Um dem zu begegnen konstruiert der Ansatz eine scheinbar wertfreie biologische Essenz der Kategorie Geschlecht, die sich von einer „Identität“ abgrenzen lässt. Er definiert ein biologisches Geschlecht, das getrennt von Gesellschaft betrachtet werden kann. Das scheinbar wissenschaftliche Wissen vom biologischen Geschlecht und seiner Existenz wird aber in der patriarchalen Herrschaftsstruktur Geschlecht produziert. Der Identitätsansatz liefert unkritisch den ideologischen Grundstein für politische, religiöse und biologistische Transfeindlichkeit.

Er gibt trans Menschen eine Scheinexistenz, sie dürfen existieren, aber nicht in dem Sinne, dass es sie wirklich gibt. Sie dürfen auf einer kulturellen Ebene ihre „Identität wählen“ ohne dabei jedoch biologisch zu existieren. Der trans Körper wird auf seine kulturelle Repräsentation beschränkt, phys(iolog)isch existieren darf er nicht“ (Berliner, 2022). Trans Menschen scheinen die einzigen zu sein, die eine „Geschlechts“-Identität wählen. Cis Personen werden normalisiert und ihre bewusste oder unbewusste körperliche Performanz von Geschlecht verleugnet.

Was Frau und Mann sind, wird von der Kultur bestimmt und automatisch auf das Subjekt projiziert. Wer das negiert, führt einen Kampf um den Erhalt der Herrschaftsstruktur Geschlecht. Der Identitätsansatz verfolgt eine scheinbare Sachlichkeit und liefert im Kern eine Begründung, die sich gegen die materielle und damit auch biologische Existenz von trans Menschen richtet. Im Grunde leugnet er durch seine Setzungen, Definitionen und Benennungen unser sein und setzt das durch.

Geschlecht ist ein mehrdimensionaler geschlechtlicher Raum, deren Dimensionen wir heute noch nicht alle kennen und der sich deshalb nicht auf eine Binarität reduzieren lässt (Serano, 2007). Er wird mindestens durch 10 Faktoren determiniert: genetisches Geschlecht, chromosomales Geschlecht, hormonelles Geschlecht, zelluläres Geschlecht, körperliches Geschlecht, durch Umweltfaktoren, psychische Faktoren, kulturelle Faktoren, Herrschaftsfaktoren und uns noch unbekannte Faktoren. Diese Faktoren beeinflussen das Geschlecht durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion. Als Ergebnis entsteht ein multidimensionaler geschlechtlicher Raum, in dem (trans)geschlechtliche Körper als Realität existieren. Die mit dem Identitätsansatz einhergehende Idee eines „gegengeschlechtlichen“ Körpers ist deshalb zu verwerfen und die damit verbundene Vorstellung einer „Geschlechtsumwandlung“ als hinfällig anzusehen.

Jedes Individuum wird mit einem eigenen Geschlecht geboren. Die Wahrnehmung und Interpretation der eigenen Geschlechtlichkeit ist damit ein höchst privater Prozess und seine Interpretation bleibt allein der eigenen Selbstbestimmung vorbehalten.

Literaturverzeichnis

Berliner, N. (29. 11 2022). @al_berlini. Abgerufen am 05. 12 2022 von Twitter: https://twitter.com/al_berlini/status/1597595180936626182

Serano, J. (2007). Whipping Girl: A Transsexual Woman on Sexism and the Scapegoating of Femininity. Seal Press.

Kleine Geschlechterkunde

Meine #kleineGeschlechterkunde aus #trans Perspektive ist der Versuch, das Thema geschlechtliche Vielfalt in kurzen Aufsätzen zusammenzufassen.

Vielfalt

Das System der Zweigeschlechtlichkeit wird permanent erzeugt, festgeschrieben und materialisiert. Zweigeschlechtlichkeit ist ein gewaltförmiger Prozess, der „anders sein“ als konstitutives Außen, als Bedingung für die Herstellung eigener Einheit produziert.

Definitionen von „Geschlecht” sind ein Instrument patriarchaler Macht. Geschlechtliche Eigenschaften sind Klischees, die je nach Region, Kultur und Jahrhundert anders gedeutet und gelebt werden. Männlichkeit und Weiblichkeit sind soziale Konstrukte, die trotzdem Realität gestalten.

Aus der Kultur in Bezug auf Geschlechterrollen resultieren gewaltvolle Ausbeutungsverhältnissen. Es bedarf der Dekonstruktion klassischer Rollenbilder, einer „subversiven Performanz“.

Trans sein greift die Konstruktionen von Geschlecht auf und bringt sie bisweilen zum Ausdruck. Es ist im Kern eine radikale und anarchische Bekenntnis zum eigenen, individuellen Geschlecht.

Geschlechtlicher Raum

Das Model der Selbstwahrnehmung „intrinsic inclination model“ nach Julia Serano:

1. Geschlecht, Ausdruck und sexuelle Orientierung sind unabhängig voneinander.
2. Geschlecht ist ein tiefer, unbewussten Seinszustand, der durch soziale oder individuelle Einflüsse nicht veränderbar ist.
3. Fünf Faktoren beeinflussen das Geschlecht durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion. Als Ergebnis entsteht ein geschlechtlicher Raum, der sich nicht einteilen lässt.
4. Die Selbstwahrnehmung steht über der, durch die körperlichen Unterschiede entwickelten, groben Binarität.

Die 5 Faktoren nach Serano:
„Geschlecht ist ein mehrdimensionaler Raum, deren Dimensionen wir heute noch nicht alle kennen. Wir wissen, das genetische, anatomische, hormonelle, Umwelt und psychologische Faktoren das Geschlecht beeinflussen und zwar durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion.“

Frau Serano möge nachsichtig mit mir sein, es folgt meine Interpretation:

Der mehrdimensionale geschlechtliche Raum
wird durch 9 Faktoren determiniert:

1. Genetisches Geschlecht
2. Chromosomales Geschlecht
3. Hormonelles Geschlecht
4. Zelluläres Geschlecht
5. Körperliches Geschlecht
6. Umweltfaktoren
7. psychische Faktoren
8. kulturelle Faktoren
9. unbekannte Faktoren

beeinflussen das Geschlecht durch gemeinsame Existenz oder durch Interaktion. Als Ergebnis entsteht ein geschlechtlicher Raum, der sich nicht einteilen lässt.

Jedes Individuum hat ein eigenes Geschlecht!

Regulationen

„Die neuen Erkenntnisse zeugen von komplizierten Abläufen in der Geschlechtsentwicklung, bei der zwei unterschiedliche genetische Regulationsnetze im Wettstreit miteinander stehen. Die Veränderung der Aktivität oder der Menge an Molekülen wie WNT-4 kann die Balance ins Kippen bringen und zu einem Geschlecht führen, das allein die Chromosomen so nicht vermuten lassen.“

„Neue Techniken der DNA Sequenzierung und Zellbiologie machten deutlich, dass fast jeder von uns zu einem gewissen Grad aus verschiedenen Zellen besteht, gleichsam wie ein Patchwork. Dabei haben manche unserer Zellen ein Geschlecht, das zum Rest des Körpers eigentlich nicht passt.„

Hab ich mal erwähnt, dass ich Claire Ainsworth Artikel über die Komplexität von Geschlecht sehr mag?

https://www.spektrum.de/news/die-neudefinition-des-geschlechts/1335086?fbclid=IwAR0xWrTIOhVsX8KbBTxtmTmZr0PVdhxEhvz1sEucai4mQzvXapGQFb2OR_c

Identität

Die Grundlage für die binären Setzungen der mds-Richtlinie in zwei Geschlechter ist das “Identitätsmodell” des Geschlechts. Der Identitätsansatz trennt zwischen körperlichem Geschlecht (sex) und psychosozialem Geschlecht (gender) und führt direkt zur weit verbreiteten Idee von einem „Geschlechtswechsel“ im Zusammenhang mit trans.

Die “Geschlechtsidentität” ist das subjektive Gefühl eines Menschen, sich weiblich, männlich oder anders zu erleben. Sie entsteht als viele Jahre andauernder Entwicklungsprozess, bis über die Pubertät hinaus. Die “Identität” wird abgegrenzt von der “Geschlechtsrolle”. Das ist die Gesamtheit der kulturell erwarteten, als angemessen betrachteten und zugeschriebenen Fähigkeiten, Interessen, Einstellungen und Verhaltensweisen.

Es gibt 4 Ebenen der Geschlechtsentwicklung: psychisches Geschlecht (gender identity), soziales Geschlecht (role), körperliches Geschlecht (sex) und den kulturellen Kontext.

Die psychosoziale Geschlechtsentwicklung wird gekennzeichnet durch:
1. Geschlechtsidentität (gender identity)
2. Geschlechtsrolle (gender role)
3. Sexuelle Orientierung (sexual orientation)
die zusammen als psychosexuelle Trias bezeichnet werden.

Der Identitätsansatz bestimmt den fachlichen Umgang mit trans Geschlechtlichkeit und beeinflusst die sich darauf stützenden Behandlungsansätze und den Begutachtungsprozess. Er determiniert Erwartungen bei Behandler_innen und Begutachteten an Lebensläufe, Indikationskriterien, Rollenerwartungen, Sexualität, Passing und viele weitere Faktoren, die mit „richtig“ und „falsch“ gelabelt werden. Es gibt einen bewussten und unbewussten Druck, dem binären System zu entsprechen, obwohl das möglicherweise gar nicht passend ist.

Die Genderbread Person visualisiert den Identitätsansatz und dessen binäre Implikationen:
https://www.genderbread.org/resource/genderbread-person-v4-0
und in einer genauso identitätsbezogenen aber besseren Version in Form des Gender Unicorn:
https://transstudent.org/gender/

Gehirn

Der Identitätsansatz war wiederholt Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, um physiologische Nachweise zu finden. Alle Versuche dem menschlichen Gehirn ein „Geschlecht“ nachzuweisen, gelten, bis auf unwesentliche anatomische Differenzen, als widerlegt. Dennoch ist die Idee vom Geschlecht, das zwischen den Ohren säße, ein nicht nur in der trans Szene verbreitetes Motiv.

Der Verein trans-evidence spricht von einer „Neurointersexuellen Körperdiskrepanz (NIBD)“, bei der das Nervensystem als relevantes Geschlechtsorgan betrachtet wird. Transsexuelle Menschen besitzen eine tiefe innere Gewissheit, zu welchem Geschlecht sie wirklich gehören. Das explizite Bedürfnis nach Angleichung der Lebensweise und des Körpers an das eigentliche „neurogene Geschlecht“ wird als wissenschaftlich adäquat betrachtet. Eine „trans-evidence Working Group“ genannte Gruppe Betroffener hat zur weiteren Erforschung eine „evidenzbasierte Medizin“ in den Fokus ihrer Arbeit gestellt.

Das „Neurogenitale-Syndrom (NGS)“ der Vereinigung-TransSexuelle-Menschen e.V. (VTSM) erklärt trans durch natürlich vorhandene Wissenshintergründe über das eigene „biologisch-neuronale Geschlechtswesen“. Dies stände in Abgrenzung zu den Geschlechtsrollen, die gesellschaftlichem Einfluss zugänglich sind. Es gäbe ein „Gehirngeschlecht“, welches nicht dem Geschlecht des anatomischem Körper entspricht. Ein fest verschaltetes Körperbild im neuronalem Netz wolle den passenden „Geschlechtskörper“. Nur Menschen post Genitalangleichung wären nach dieser Fantasie vollwertige Frauen bzw. Männer. Es würde kein Geschlecht umgewandelt, es würde nur der fehlerhafte Körper korrigiert.

Feminismus

Die Frauenbewegung wird historisch in vier „Wellen“ beschrieben.
1. Welle 1850 – 1920 (Clara Zetkin)
2. Welle 1968 – 1989 (Autonome Frauenbew., Radikalfeminismus)
3. Welle 1992 (Netzfeminismus)
4. Welle 2007 (intersektional, inklusiv)

TERFs gehören der 2. Welle an und negieren ihre historischen Bezüge, wenn sie die 4. Welle für sich beanspruchen. Wir sprechen heute vom dekonstruktivistischen Feminismus oder Postfeminismus. Das biologische (sex) und soziale Geschlecht (gender) sind gesellschaftliche Konstrukte. Die daraus abgeleiteten Geschlechtsidentitäten sollen aufgelöst, dekonstruiert werden, denn Geschlecht ist individuell.

Zwei Begriffe tauchen in den Diskussionen immer wieder auf:

1. Essentialismus: Gruppen werden durch Eigenschaften bestimmt und ein Mensch wird zum Teil dieser Gruppe, wenn er diese Eigenschaften hat. Mann und Frau bestehen aus der Essenz des Männlichen oder Weiblichen. Deshalb gibt es eine „Materialität“ in Form (binärer) Geschlechter.
Im Feminismus gibt es Strömungen, die Geschlechtseigenschaften als essentiell ablehnen und nur die Essenz des Menschen postulieren, weshalb wir alle gleich(wertig) sind.

2. Konstruktivismus: (natur)wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen in einem gesellschaftlichen Kontext und bilden diesen ab, sie sind hergestellt. Auch materielle Körper erlangen ihre Bedeutung in gesellschaftlichen Zusammenhängen. Geschlechtliche Kategorisierung ist gesellschaftliche Praxis und konstruiert. Das (binäre) Geschlecht wird durch die Kultur unseres Zusammenlebens gestaltet.

Gesschlechtereigenschaften sind Klischees, die je nach Region, Kultur und Jahrhundert anders waren und sind. Die Konstruktion von Geschlecht ist mit Machtbeziehungen und Wahrheitspolitiken verbunden. Die Definition von Geschlechts ist ein Instrument patriarchaler Macht und die binären Polarisierungen sind gewollt. Dies sichtbar zu machen, führt zwangsläufig zu Zumutungen und zum Schmerz des anders seins.

In der patriarchalen Machtausübung ist Frau keine Selbstdefinition, sondern zugewiesen, verbunden mit weniger Macht und geringerer Kompetenz. Das Patriarchat weist Menschen, die geschlechtliche Vielfalt leben, nicht den Männern zu, denn sie müssen oder mussten Weiblichkeit leben. Sie sind damit alle patriarchaler Machtstrukturen ausgesetzt. Die Abwertung oder Exklusion genderdiverser Menschen wertet Weiblichkeit ab und damit faktisch grundsätzlich alle Frauen.

trans Feminismus

Die Zuweisung, was eine Frau sei, schafft schmerzhafte und gewaltvolle Implikationen, wie die Gleichsetzung von Frau sein und schwanger werden (können). Die dafür benutzten körperlichen Merkmale, häufig einhergehend mit einem simplifizierenden Biologismus, definieren eine Leistungsfähigkeit der Frau als Ideal eines (radikalen) Feminismus. Die Kategorie Frau wird zu etwas monolithisch Benennbarem.

Trans sein ist die körperliche Erfahrung, etwas nicht zu haben und zu können. Trans ist eine Irritation, die bei allen, die damit umgehen müssen, häufig zu Ablehnungen und Abwehr führt. Das ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal von trans. Radfems machen sich diese Irritationen zu eigen. Das dokumentieren sie durch ihre öffentlichen Beiträge, wenn sie Bilder von trans Körpern ableistisch wertend kommentieren. Sie verengen die Definition Frau auf „wahre“ (cis) Frauen.

Damit treffen sie den Kern der Ideologie mancher trans Frauen, die den eigenen Irritationen entfliehen wollen und sich auf der Suche nach den „echten“ Frauen anschließen. Sie ordnen ihr trans sein der gesellschaftlichen Erwartungslogik von Eindeutigkeit unter. Alles muss verstehbar sein und in binären Kategorien einsortiert werden: weiblich, männlich und dann eben trans. Der operierte Körper, der einen „penisfreien“ Raum garantiert, wird zur geduldeten Kategorie, die das frau sein eben noch berührt aber nie erreichen kann. Diese trans Frauen sind aus Sicht der Radfems keine „echten“ Frauen. Als Kronzeuginnen sind sie akzeptiert, als zu „Frauen“ konstruierte Männer.

Die Diskussion um eine Definition folgt einer gesellschaftlichen Entwicklung, die die Möglichkeiten Frau zu sein enger macht, Pinkifizierung wäre ein Stichwort. So treffen trans gesperrte Frauenräume zuerst die nicht binär konformen Frauen und in der Folge alle Frauen. Sie müssen sich mühen, möglichst raumkonforme Rollenbilder zu generieren und zu replizieren. Für Butches und gender nonkonforme Frauen ist in der Welt der anti trans Gesetzgebung kein Platz. Butches definieren sich, in der Welt der Radfems, heute ohnehin eher als trans oder nicht binär. Sie treten einfach aus dem Frau sein aus und üben damit Verrat am Frau sein. Eine ganz neue Generation von Mädchen hat angeblich das trans sein als Ausweg für sich entdeckt, da sie keine Diskriminierungserfahrungen als Frauen machen wollen. Nichts von dem stimmt, trotzdem bleibt auf allen Seiten Trauer, Verrat und Schuldzuweisungen.

Die Perspektiven von Mädchen erleben viele Widerstände. Wenn jungen Menschen bis zum 25 Lebensjahr an der Transition gehindert werden sollen, werden sie zwangsweise in die cissexistische Normierung gezwungen. Das ist eine Gewalt, die gegen (in der Logik der Radfems) Mädchen und ihr körperliches Selbstbestimmungsrecht vollzogen werden soll. Menstruation und Schwanger ist nicht dasselbe wie Mädchen sein. Es ist zu respektieren, wenn sie ihre Selbstbezeichnungen als Frau oder in anderen Geschlechtlichkeiten finden. Und sie verlieren als trans Männer nicht das Recht auf Solidarität, weil sie denselben Verletzungen durch patriarchale Gewalt ausgesetzt waren. Alle die Weiblichkeit gelebt haben oder leben sind von dieser Gewalt betroffen.

Trans benötigt cis als Begriff untereinander und wenn über Sexismus geredet werden muss. Sexismus benennt die Hierarchie (Herrschaft, Macht und binäre Geschlechtlichkeit) zwischen Männern und Frauen. Cis Frauen sind diskriminiert und trans Menschen werden den privilegierten Männern zugerechnet. Der Cissexismus benennt die Hierarchie (Geschlecht binär) zwischen cis und trans Frauen. Cis Frauen sind privilegiert, weil sie in ihrem Geschlecht als (biologisch) existent gelten. Trans wäre eine identitäre Illusion und nicht existent.

Der aktuelle Diskurs im trans Spektrum trennt das Körpergeschlecht nicht mehr vom geschlechtlichen Selbstverständnis. Damit schwindet der Druck zur körperlichen Transition. Trans ist keine Selbstdefinition oder ein Geschlechtswechsel, eine Migration. Trans ist das Wahrnehmen und Akzeptieren einer divergenten Geschlechtlichkeit als Teil einer körperlichen Realität. Trans Körper und der geschlechtliche Ausdruck können sich heute deutlicher aus den normativem Vorstellungen von Geschlecht heraus bewegen. Dieses intelligible Geschlechterverständnis ist das Schreckgespenst der Diskussion um das Selbstbestimmungsgesetz.

Die Verfielfältigung von Geschlechtern und deren Verhältnissen zueinander, kann ein Gewinn für Frauen sein, weil es mehr (Über)Lebensoptionen bringt. Es ist ein legitimes Ziel, den geschlechtlichen Raum zu ergründen und dessen Diversität und vielfältigen Optionen lebbar zu machen.
Wir können den Streit nicht vermeiden und den safe space zur Verletztlichkeitsabwehr gibt es nicht. In den Konsequenzen patriarchaler Gewalt zu streiten macht unsouverän. Menschen können kämpfen, wenn sie nicht direkt betroffen sind. Deshalb bedarf es ein Mindestmaß an Akzeptanz für trans, um das Thema besprechbar zu machen.
Wenn wir Aktivismus nachhaltig machen möchten, müssen wir unaufgeregt um Solidarität ringen.

http://beyond-binary.net/2021/05/01/das-wollknaeuel-besprechbar-machen/

Radikalfeminismus

Der Radikalfeminismus ist eine strukturorientierte Gesellschaftsanalyse auf historisch-materialistischer Basis. Zweck dieser Analyse ist radikale Patriarchatskritik, aus der politisches Handeln entstehen soll. Der strukturorientierte Feminismus der 1970er und 80er Jahre ist eine Analyse der Herrschaftsverhältnisse im Zusammenhang von Kapitalismus und Patriarchat. Der Radikalfeminismus entstand aus dieser zweiten Welle des Feminismus. Historischer Materialismus ist die theoretische Erklärung von Gesellschaft und ihrer Geschichte nach Marx und Engels, Materialismus: „Glaube nur, was Du siehst, was Du erkennst und was Du verstehst“.

Mädchen und Frauen sind weltweit aufgrund ihrer Geschlechtsorgane von sexueller Gewalt betroffen. Diese Gewalt wird überwiegend von Männern ausgeübt. Die Herrschaft der Männer wird durch Macht über weibliche Körper durchgesetzt. Patriarchale Unterdrückungsmechanismen sind gekoppelt an Geschlechtsorgane, damit an die Biologie von Menschen.

Das Patriarchat hat über die Biologie des Körpers hinaus, zum Zwecke der Machtausübung, ein Interesse daran, zu bestimmen was Geschlecht ist. Deshalb weist das Patriarchat Geschlechterrollen und Stereotypen zu. Gefühle, Hobbys und Vorlieben sind patriarchal konstruiert. Kinder werden von der Geburt an mit patriarchalen und damit sexistischen Denkmustern sozialisiert. Diese Diskriminierung ist ein toxisches und wirkmächtiges Konstrukt, das Frauen in die Machtstrukturen des Patriarchats zwingt. Es sei deshalb ein sehr signifikanter Unterschied, ob jemand männlich oder weiblich sozialisiert wurde.

Geschlecht ist aus radikalfeministischer Sicht an die Biologie der Geschlechtsorgane, an die Sozialisation und an kulturelle Konstruktionen gekoppelt. Geschlecht habe keinen zugrundeliegenden und unveränderbaren Kern, es sei deshalb nicht essenziell.

Die Kritik an Transsexualität ist vor allem eine Kritik am vorherrschenden Identitätsmodell. Nach diesem Modell weicht ein „Identitätsgeschlecht“ von dem „biologischen“ Geschlecht des Körpers ab. Das Identitätsgeschlecht entwickelt sich im Laufe des Lebens und ist unveränderbar.

Da aus radikalfeministischer Sicht Geschlecht ein patriarchales Machtinstrument ist, werden patriarchale gesellschaftliche Konzepte, Stereotypen und Geschlechterrollen zu einer „Geschlechtsidentität“ gemacht. Damit erfolge eine Festschreibung des gesamten toxischen Gender-Systems. Transsexualität könne es nur wegen der patriarchal konstruierten Geschlechtunterscheidung geben und deshalb gäbe es sie eigentlich nicht. Nicht „der Körper“ sei das Problem, sondern die Gesellschaft um diesen Körper herum. Deswegen lehnen Radikalfeministinnen Hormongabe und Operationen ab.

Trans Exclusionary Radical Feminists (TERF)

Das Akronym „TERF“ entstand 2008 in dem Blog „finallyfeminism101“, die Urheberin ist die cis Feministin Viv Smyth, bekannt als „tigtog“. Sie benannte damit Frauen, die sich durch Transfeindlichkeit, Cis-Sexismus, Pseudo-Biologismus, Transmisogynie und Feindseligkeit gegenüber dem Feminismus der 3. und 4. Welle auszeichnen.

Cis und trans entstammen dem „Lexikon des gesamten Sexuallebens“ von Dr. Ernst Burchard aus dem Jahr 1914. „Trans“ ist ein lateinisches Präfix, das „durch, über, hinüber, jenseits, auf die andere Seite“ bedeutet. „Cis“ bedeutet „diesseits“. Im heutigen Feminismus wird cis benutzt, weil sich nach der poststrukturalistischen Theorie Normen schlecht in Frage stellen lassen, wenn man sie nicht benennt.

TERF als Akronym wird bis heute im abwertenden Kontext für transfeindlich aktivistische Frauen verwendet. Sie zählen sich selber zum Radikalfeminismus. Ob sie überhaupt Feministinnen sind, ist umstritten, da sie sich im rechts-konservativen politischen Spektrum bewegen und dort Bündnisse suchen.

Es gehört zu den zahlreichen Absurditäten dieser Ideologie, dass es Männer gibt, die sich als TERFs identifizieren und in der Szene geduldet, bisweilen goutiert werden. Es gibt auch transgeschlechtliche Menschen, für die es als höchste Anerkennung gilt, dort Akzeptanz zu bekommen und die sich bei TERFs und den sie unterstützenden Medien anbiedern, teils aus Überzeugung. Besonders beliebt sind detrans Personen, die Schuldige für ihre Situation suchen. Sie werden, auch von TERFs, Truscum genannt (true transsexual scum, echter transsexueller Abschaum).

TERFs benutzen sich wiederholende Gedankenketten. Sie verknüpfen Genitalien, Körperabwertungen, sexuelle Perversionen, Kinder, Kriminalität, biologische und psychologische Versatzstücke in Variationen miteinander. Es sind spezifische und skurrile Gedankenkonstrukte.

1979 schrieb die US Amerikanerin Janice Raymond sogar ein Buch über ein nur von ihr erkanntes „transsexuelles Imperium“, das von TERFs als Grundlagenwerk verwendet wird. Sie haben Mühe, (trans) Geschlechter auseinander zu halten und verwechseln gerne trans Männer und Frauen. Trans Männer nehmen sie nicht wahr, sie zählen zu den Frauen und so wären trans Frauen „male-to-constructed-females“ („Männer-zu-Frauen-konstruiert“).

Das Patriarchat zwänge Männer sich zu Frauen konstruieren zu lassen (umzuwandeln), um mittels dieser Strategie alle Frauen auszulöschen. Es gäbe einen „patriarchalen Mythos“ der „männlichen Mutterschaft“ und darauf, „Frauen nach dem Abbild des Mannes zu schaffen“ um „feministische Identifikation, Kultur, Politik und Sexualität zu kolonisieren“. Transsexualität verstärke traditionelle Geschlechterstereotype, weil mit geschlechtsangleichenden Maßnahmen stereotype Weiblichkeit angestrebt würde. „Alle Transsexuellen vergewaltigen Frauenkörper, indem sie die echte weibliche Form auf ein Artefakt reduzieren und sich diesen Körper für sich selbst aneignen. Transsexuelle lassen nur die offensichtlichsten Mittel der Invasion in Frauen weg, so dass sie nicht-invasiv erscheinen.“ Sie wären demnach eine „Täuschung“, um Frauenräume zu „penetrieren“.

Es gäbe ganz besonders gefährliche Exemplare dieser umgewandelten Männer, genannt „transsexuell konstruierte lesbische Feministin“. Diese wollten „Frauen auf einer tieferen Ebene besitzen“ und hätten es auf Lesben abgesehen. Sie wollten „Women-born-Women“ mittels ihrer Penisse an vergangenen Missbrauch erinnern und triggern. Sie zwängen lesbische Frauen zu penetrativem Sex, indem sie diese durch Vorwürfe lähmten, zum Beispiel den der Transfeindlichkeit. Namhafte Wissenschaftler würden angeblich an diesen und anderen TERF-Theorien forschen und es gibt sogar einen Euphemismus als Fachbegriff dafür: „The Cotton Ceiling“ (der durch eine baumwollene Unterhose bedeckte Penis). Ziel dieser Bemühungen wäre es, dass das Patriarchat die gesellschaftlich unerwünschte sexuelle Orientierung von Lesben ändern wolle und sich dazu der zwangsumgewandelten Männer bedient, Fachbegriff hier: „Corrective Rape“ (korrigierende Vergewaltigung).

Wem dieser Unsinn nicht gereicht hat, liest im nächsten Kapitel weiter:

ROGD und Autogynephilie

Bei ROGD „Rapid Onset Gender Dysphoria – plötzlich auftretende Geschlechtsdysphorie“ handelt es sich nicht um eine Diagnose. Es wird die Wahrnehmung von Eltern beschrieben, deren Kinder angeblich plötzlich, in der Pubertät, transgeschlechtlich würden. ROGD kam 2016 in 3 transfeindlichen Blogs auf. Auf Initiative von Lisa Littmann wurde ein Konzept der „sozialen Ansteckung“ konstruiert. Der Kontakt mit dem Thema trans in soz. Medien würde einen Gruppenzwang auslösen, der zu einem Trend geführt haben soll. Außerdem hätten vorgeblich Mädchen einen Hass auf ihre Körper, sie werden diskriminiert und das mache sie besonders „empfindlich“ dafür. Das reicht aber noch nicht. Mädchen hätten zusätzlich alle Arten von psych. Störungen, Komorbiditäten, PTBS und ADHS.

Grundlage der ROGD Idee ist ein klassischer verschwörungstheoretischer Ansatz, die Gleichsetzung des Auslösers mit der Ursache.

Die ROGD These erfreut sich im genderkritischen Umfeld großer Beliebtheit und wird gerne kolportiert, da sie Mädchen als „Opfer“ inszeniert. Nun brauchte es eine Theorie für Jungen und welch Wunder, die gibt es und hier sind sie die „Täter“: Autogynephilie.

Autogynephilie erfand der Psychologe Ray Blanchard 1989. Er leugnete die Existenz von transgeschlechtlichen Menschen und konzeptualisierte sie als „normale“ Menschen, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Dabei betrachtete er Homosexualität als von Natur aus „echt“ und trans als „gefälscht“. Er unterschied Homosexualität, die für ihn akzeptiert ist, von abnormer sexuelle Neigung, als Fachbegriff eine „Paraphilie“.

Er unterschied 2 Gruppen von Männern –

1. Homosexuelle Männer, die ihre Homosexualität durch die Transition zur Frau ausleben könnten.
2. Heterosexuelle Männer, die durch die Fantasie, sie wären weiblich und/oder hätten einen weiblichen Körper sexuell erregt würden.

Sie hätten also einen „irregeleiteten heterosexuellen Sexualtrieb“, der sie dazu brächte, selbst Frauen zu werden.

Für TERFs, genderkritische und Schwurbler Settings sind Bezüge zu ROGD und Autogynephilie ein gutes Erkennungszeichen.

Weiterlesen: Radikalfeminismus

BV Anträge zu trans Jugendlichen

Die Bezirksversammlung Eimsbüttel hat in der Sitzung vom 30.06.2022 mit den Stimmen von Grünen, SPD, Linken und FDP zwei Anträgen zugestimmt, die die Situation von trans Jugendlichen erleichtern werden.

Das Einwohner-Zentralamt in Hamburg hat die Haltung, Jugendliche in ein Verfahren nach dem Transsexuellen-Gesetz (TSG) zu zwingen, wenn sie ihre selbstgewählten Vornamen und Pronomen an der Schule benutzen wollen. Für den Umgang mit transgeschlechtlichen Jugendlichen ist das TSG in seiner jetzigen Form keine geeignete Grundlage. Sie erfüllen häufig die Voraussetzungen nicht, weder fühlen sie sich dem anderen Geschlecht als zugehörig noch stehen sie seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang, entsprechend zu leben. Deshalb wird gefordert, nicht volljährigen Jugendlichen mit transsexueller Prägung die Ergänzung des bestehenden Vornamens um einen geschlechtsneutralen Vornamen, unbürokatisch nach dem Namensrecht zu ermöglichen.

Außerdem soll es Schüler*innen vor dem amtlichen Namenswechsel ermöglicht werden, die Eintragung der selbst gewählten Vornamen und Pronomen in die Lehrer- und Schülerdatenbank, im allgemeinen Gebrauch an den Schulen und auf Zeugnissen oder Bescheinigungen zuzulassen.

Drucksache – 21-2883

Verwendung des gewählten Namens von Schüler*innen mit transsexueller Prägung unabhängig von einer amtlichen Namensänderung

Sachverhalt:

Möchten Schüler*innen mit transsexueller Prägung ihren bürgerlichen Vornamen offiziell wechseln, ist dafür ein gerichtliches Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (TSG) erforderlich. Das TSG enthält spezifische Voraussetzungen für einen amtlichen Vornamenswechsel. Nicht geregelt ist die Frage, ob vor dem amtlichen Namenswechsel der neue Name verwendet werden kann und welche Rechtswirkung ein auf den gewählten Namen ausgestelltes Zeugnis nach außen entfaltet.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat bezüglich der vergleichbaren Situation von Trans*Studierenden 2016 eine rechtliche Einschätzung hierzu abgegeben:

1. Interne Angelegenheiten
Im Hinblick auf die Verwendung des neuen Namens bei (schulinternen Angelegenheiten, die keine Außenwirkung entfalten, gibt es keinerlei rechtliche Bedenken).

2. Angelegenheiten mit Außenwirkung (z.B. Zeugnisse)
Eine Rechtspflicht zur Verwendung des amtlichen Namens aus anderen Vorschriften (wie z.B. bei Zeug*innenaussagen vor Gericht) besteht auch hier nicht. Entsprechendes gilt für andere schulische Bescheinigungen. Bei Angelegenheiten, die Außenwirkungen entfalten, wie z.B. Zeugnisse oder Bescheinigungen, sprechen auch strafrechtliche Aspekte ausdrücklich nicht gegen die Zulässigkeit der Verwendung des gewählten Namens. Straftatbestände wie Urkundenfälschung, Falschbeurkundung im Amt oder Betrug sind hier nicht einschlägig, da die jeweiligen strafrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Verordnung für Zeugnisse und Lernentwicklungsberichte an öffentlichen Schulen (ZeugnisVO) legt in §14 fest, dass in Zeugnisformularen und Formularen für Lernentwicklungsberichte Vorname und Familienname der Schülerin/des Schülers neben dem Geburtsdatum einzutragen sind. Eine Festlegung, dass es sich hierbei um den amtlichen Vornamen handeln muss, besteht nicht. Bei Zeugnissen kommt es also nicht auf den (amtlichen) Vornamen oder das Geschlecht an. Vielmehr muss die Person identifizierbar sein. Die Feststellung der Identität kann z.B. durch geeignete Legitimationspapiere erfolgen, wie z.B. durch den Personalausweis.

Petitum/Beschluss:

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, die zuständige Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) aufzufordern, die Eintragung der selbst gewählten Vornamen und Pronomen von Schüler*innen mit transsexueller Prägung in die Lehrer- und Schülerdatenbank, im allgemeinen Gebrauch an den Schulen und auf Zeugnissen oder Bescheinigungen vor einer amtlichen Namens­änderung zu ermöglichen.

Drucksache – 21-2884

Jugendlichen mit transsexueller Prägung zum bestehenden Vornamen einen geschlechtsneutralen Vornamen ermöglichen

Sachverhalt:

Das Einwohner-Zentralamt hat die Haltung, Jugendliche in ein TSG Verfahren zu zwingen. Für den Umgang mit transgeschlechtlichen Jugendlichen ist das TSG in seiner jetzigen Form keine geeignete Grundlage. Eine transsexuelle Prägung sagt nichts über die Diagnose Transsexualität und damit die Anwendung des TSG aus. Ob das TSG angewendet werden kann, stellen in Deutschland zwei durch das Gericht bestellte Sachverständige fest, die aufgrund ihrer Ausbildung und beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Außerdem müssen folgende Voraussetzungen für den Antrag vor Gericht erfüllt sein: dass der Antragsteller sich dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, seinen Vorstellungen entsprechend zu leben. Zusätzlich muss mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass sich sein Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird. Diese Fakten sind bei Jugendlichen häufig nicht erfüllt. Gleichzeitig würde es den Jugendlichen eine mühelose Rückkehr zum ursprünglichen geschlechtlichen Stand ermöglichen. Dies würde zu einer angemessenen Umgehensweise mit der objektiven und belegbaren Not von Jugendlichen führen und würde für alle Beteiligten eine Rechtssicherheit schaffen.

Petitum:

Der Vorsitzende der Bezirksversammlung wird gebeten, die zuständige Behörde für Inneres und Sport (BIS) aufzufordern, nicht volljährigen Jugendlichen mit transsexueller Prägung die Ergänzung des bestehenden Vornamens um einen geschlechtsneutralen Vornamen zu ermöglichen.

https://sitzungsdienst-eimsbuettel.hamburg.de/bi/vo020.asp

Autogynephilie

Autogynephilie und ROGD (Rapid Onset Gender Dysphoria) sind frei erfundene Typologien von angeblichen psychischen “Krankheiten”. Sie gehören zum gerne benutzten Zitatenschatz des genderkritischen Aktivismus, der daran leicht zu identifizieren ist.

Der Psychologe Ray Blanchard entwickelte im Jahr 1989 Autogynephilie, um Transsexualität als abnorme sexuelle Neigung zu deklassifizieren (Blanchard, 1989). Er leugnete die Existenz von transgeschlechtlichen Menschen und konzeptualisierte sie als “normale” Menschen, die vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind. Dabei betrachtete er Homosexualität als von Natur aus “echt” und trans als “gefälscht”. Er unterschied Homosexualität, die für ihn akzeptiert ist, von „kranken“ Formen der sexuellen Präferenz, wie sie im Diagnoseschlüssel ICD 10 F65 „Störungen der Sexualpräferenz“ abgebildet werden. Trans wäre für Blanchard eine abnorme sexuelle Neigung, als Fachbegriff eine Paraphilie.

Die patriarchale Gesellschaft ist besessen davon, trans Frauen zu sexualisieren. Als vermeintlicher Mann zur Frau zu werden, löst bei manchen Menschen zwanghafte Ideen und immer wiederkehrende Beschäftigung mit dem Thema aus. Es werden objektiv unwahrscheinlicher Ereignisse konstruiert, durch die transgeschlechtliche Menschen der Gesellschaft Schaden bringen könnten. Blanchard fokussierte seine Theorie auf trans Frauen. Von denen gäbe es zwei grundlegend unterschiedliche „Arten“, die er nach ihrer sexuellen Präferenz unterschied. Die eine Gruppe sei orientiert auf Männer und die andere Gruppe auf sich selbst.

  • Die auf Männer orientierte Gruppe wären demnach homosexuelle Männer, die ihre Homosexualität durch die Transition zur Frau ausleben könnten.
  • Die zweite Gruppe seien Männer, die durch die Fantasie, sie wären weiblich und/oder hätten einen weiblichen Körper sexuell erregt würden. Diese Fantasie hätten sie, weil sie durch ihre Heterosexualität dazu gebracht würden. Diese Männer litten unter einem „irregeleiteten heterosexuellen Sexualtrieb“, der sie dazu brächte, selbst Frauen zu werden. Blanchard nannte diesen angeblich fehlgeleiteten Sexualtrieb “Autogynephilie”.

Für ihn gibt es also

  • “homosexuelle Transsexuelle”, eine trans Frau, die exklusiv auf Männer orientiert ist und
  • “Autogynephile”, das wäre eine trans Frau, die nicht exklusiv auf Männer orientiert ist.

Autogynephilie ist für Blanchard eine eigene Kategorie für eine sexuelle Orientierung, für ihn allerdings ein pathologisches sexuelles Verlangen, also eine Paraphilie. Außerdem erkannte er darin die einzige Ursache jeder Geschlechtsdysphorie und des Wunsches nach Transition. Trans Frauen, die seiner These nicht entsprachen, betrachtete er als Lügnerinnen. Blanchard hat außerdem behauptet, dass das Gegenstück zu Autogynephilie, manchmal auch als “Autoandrophilie” bezeichnet, nicht existiert.

Die US-amerikanische Biologin Julia Serano hat vielfach über die Mängel von Ray Blanchards Autogynephilietheorie geschrieben (Serano, 2019). Aufgrund dieser Mängel wurde Autogynephilie nie akzeptiert.

Bis heute gibt es neben Blanchard nur noch zwei US-amerikanische Psychologinnen, die unerschütterlich an dieser Typologie festhalten. Sie sind faktisch für die gesamte proautogynephilie akademische Literatur verantwortlich, die existiert. Es sind Anne Alexandra Lawrence, sie identifiziert sich selbst als autogynephile Transsexuelle (Lawrence, 2004) und John Michael Bailey (Bailey J. M., 2003). Er ist der Professor, der die Natur von „Gaydar-Signalen“ untersuchte. Diese „Signale“ sollen Informationen über die sexuelle Orientierung anderer Menschen übermitteln (Bailey, Rieger, Linsenmeier, Gygax, & Cisneros, 2008).

Nun müssen wir keine aktuellen Untersuchungen bemühen, um die Vielfalt von sexuellen Fantasien zu diskutieren. Zu ihnen gehören selbstverständlich Cross-Sex und Geschlechtsverkörperungsfantasien. Männer und Frauen träumen gleichermaßen von Crossdressing oder davon, den Körper mit jemandem anderen Geschlechts zu tauschen. Geschlechtsverkörperungsfantasien sind ziemlich häufig und können sich auf unseren Alltagskörper oder andere Körperformen, ein anderes Genitalbild oder eine andere Persönlichkeit orientieren. Am Ende geht es darum, sich selber als Frau sexy zu finden, aber nur bei trans Frauen wird es pathologisiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Taxonomie und Ätiologie der Autogynephilie widerlegt wurden, die Wissenschaft hat sie nicht bestätigt. Eine damit vergleichbare rassistisch begründete Pseudowissenschaft ist die „Drapetomanie“. So wurde im 19. Jahrhundert der Drang von Sklaven, aus der Gefangenschaft zu fliehen, als psychische Krankheit bezeichnet. Wie ihre Vorgänger ist die Autogynephilietheorie ein historisches Artefakt.

Weiterlesen: Radikalfeminismus

  • Bailey, J. M. (2003). The Man Who Would Be Queen: The Science of Gender-Bending and Transsexualism. Washington, DC: Joseph Henry Press.
  • Bailey, J. M., Rieger, G., Linsenmeier, J., Gygax, L., & Cisneros, S. (2008). Dissecting “Gaydar”: Accuracy and the Role of Masculinity–Femininity. Archives of sexual behavior, 39, 124-40. doi:10.1007/s10508-008-9405-2
  • Blanchard, P. R. (August 1989). The classification and labeling of nonhomosexual gender dysphorias. Archives of Sexual Behavior, S. 315–334.Blanchard, R. (Oktober 1989). The concept of autogynephilia and the typology of male gender dysphoria. Journal of Nervous and Mental Disease, S. 616–623.
  • Lawrence, A. A. (2004). Autogynephilia: A Paraphilic Model of Gender Identity Disorder. Journal of Gay and Lesbian Psychotherapy, S. 69–87.
  • Serano, J. (15. Oktober 2019). Making Sense of Autogynephilia Debates. Von Julia Serano: https://juliaserano.medium.com/making-sense-of-autogynephilia-debates-73d9051e88d3 abgerufen 03.03.2022

Anti-trans Netzwerke

Die anti-trans Gruppen sind weltweit gut vernetzt. Die Bündnisse reichen über das gesamte politische Spektrum und weit ins evangelikale Lager. Aus dieser Quelle fließen beträchtliche Finanzmittel in den Kampf gegen geschlechtliche Vielfalt, wie die unten verlinkte Untersuchung des Europaparlaments aufzeigt. Wer, von wem, warum und wieviel Geld bekommt wird allerdings verschwiegen, man ist diskret.

Wer die Links anklickt, bekommt schicke Webseiten zu sehen, häufig ohne Impressum, die verblüffend ähnlich sind. So sind die „Parents of ROGD kids“ und weitere impressumsfreie Seiten eng vernetzt mit Seiten ähnlicher Machart und Inhalt. Ihr konspiratives und verdecktes Agieren spricht für eine kleine Gruppe von zentral organisierten und finanzierten Personen. Wenig glaubhaft ist auch, dass Eltern, die sich über ihre trans Kinder ärgern, Zeit und Muße finden, Kongresse, Broschüren und Aktionen zu organisieren. Im Netz brüsten sich die Gruppen ungeniert mit ihrer Zusammenarbeit.

Werfen wir also einen Blick auf Ihre Webseiten und Broschüren und erfahren, was sie uns über ihre Verbindungen öffentlich mitteilen.

ALLISON

ROGD Eltern um den GC Aktivisten David Allison bedrängten Anfang 2022 in Deutschland Ärzt*innen und andere Helfende mit einem „Offenen Brief„ (Melzer, 2022). Helfende Menschen persönlich anzugehen ist eine Methode, die von radikalen Abtreibungsgegnern verwendet wird und aus den USA stammt.

David Allison hatte sich 2021 fälschlich als Frau ausgegeben, um damit das Grüne Frauenstatut zu desavouieren. Er wurde dafür ausgiebig in der EMMA gewürdigt (Louis, emma.de, 2021). Seine Seite „TransTeens Sorge berechtigt – Interessengemeinschaft David Allison“ wirbt für die Detransbroschüre von Nele und Elie (Vandenbussche, 2022).

SEGM

Diese Broschüre wurde unterstützt von Post Trans und von Dr. J. William Malone (USA). Der hat die „Society for Evidence Based Gender Medicine (SEGM)„, eine international agierende Anti-Trans-Truppe, zusammen mit Roberto D’Angelo (AU) gegründet (Leveille, 2021). Die SEGM Mitglieder unterhalten Verbindungen zu Konversionstherapiegruppen und stellen einen großen Anteil des Teams von Genspect (SEGM, 2020-2023).

GENSPECT

Genspect ist eine internationale anti-trans Organisation, in der vorgeblich Eltern-Aktivisten zusammengeschlossen seien und für die TransTeens wirbt (und Genspect wirbt selber für TransTeens) (Genspect, genspect.org, 2022). Genspect wird geleitet von Stella O’Malley, die das Gender Dysphoria Support Network (GDSN) gegründet hat (Leveille, 2021). Bei Genspect arbeitet als Beraterin Stephanie Davies-Arai (Genspect, 2021). Sie ist Gründerin der britischen Webseite Transgender-Trend (Transgendertrend, transgendertrend.com, 2023). Dieses Seite hat sich 2016 an einer Kampagne beteiligt, die fiktive „Erkrankung“ ROGD zu verbreiten.

ROGD (Rapid Onset Gender Dysphoria) und Autogynephelie sind frei erfundene Typologien von angeblichen psychischen „Krankheiten“. Sie gehören zum gerne benutzten Zitatenschatz des genderkritischen (gc) Aktivismus, der daran leicht zu identifizieren ist. Diese Gruppen konzeptualisieren trans als „normale“ Menschen, die vorgeben etwas zu sein, was sie nicht sind. Dabei betrachten sie Homosexualität als von Natur aus „echt“ und trans als „gefälscht“. Sie geben sich die Attitüde von „besorgt“ und illustrieren das durch ihre Namensgebung, die sich eng an die der Selbsthilfeorganisationen anlehnt und ihre anti-trans Haltung verschleiern soll.

Die Genspect Organisation scheint eine zentrale Rolle in der weltweiten Vernetzung zu spielen (Genspect, 2022). Hier die Liste der Gruppen auf deren Webseite:
TransTeens Sorge berechtigt, Parents of ROGD Kids, LGB Alliance, Transgender Trend, Gender Dysphoria Support Network, Post Trans, 4th Wave Now, Detrans Voices, Gender Exploratory Therapy Association, Gender Health Query, Rethink Identity Medicine Ethics, Society of Evidence-based Gender Medicine, Thoughtful Therapists, Trans Widows Voices, Gender Critical Resources Support Board, Oasis: A Place for Parents (Facebook group), Our Duty, International Partners for Ethical Care.

EMMA

Diese pseudowissenschaftlichen Narrative werden regelmäßig durch die „EMMA“ verbreitet, eine Zeitschrift der Feministin Alice Schwarzer. Die Zeitschrift  ging aggressiv gegen die grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer vor, die sich öffentlich für trans Anliegen einsetzt (Emma, 2022).

Die EMMA ermöglichte Anfang 2020 der Gründerin des deutschen Ablegers der Parents of ROGD Kids, einer „Frau Müller“, ein Interview. In dem Artikel werden die Parents of ROGD Kids als „amerikanische Eltern-Selbsthilfegruppe“ bezeichnet. Deren unseriöse und impressumsfreie Webseite wird unter dem Interview von Chantal Louis verlinkt (Louis, 2019).

Schwarzer und Louis gaben 2022 gemeinsam ein transfeindliches Buch heraus. Auf Seite 211 wird in diesem Buch für Genspect und SEGM Werbung gemacht. Es stellen sich Fragen, ob für diese Werbung Geld geflossen ist und welche Verbindungen bestehen?

WDI

Die Women’s Human Rights Campaign (WHRC) wurde von Dr. Heather Brunskell-Evans mitgegründet (Transgendertrend, 2023). 2022 wurde der Name in Women’s Declaration International (WDI) geändert (Womensdeclaration). Die deutsche Sektion wurde seit 2020 von Stefanie Bode als Country Contact aufgebaut (Duwe, 2023 + Bode 2023). Sie gab diese Funktion Ende 2021 ab. Die WDI vereint einige der hier genannten Organisationen hinter ihrer „Erklärung über die Rechte von Frauen auf der Grundlage ihres Geschlechts“: Women’s Liberation Front (WoLF), LGB Alliance Deutschland und das Lesbische Aktionszentrum. Dazu kommen Die Störenfriedas, Radfem Munich, SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! und ALARM! Gegen Sexkauf und Menschenhandel e.V. und weitere deutsche Gruppen.

LGB Alliance

Die LGB Alliance hat in England ihre Adresse bei einem rechten „Think-Tank“ (Gemma Stone, 2022). „In Deutschland hat sich die LGB Alliance 2020 zunächst in einer Facebookgruppe gesammelt und sich dann begründet. Administratorin der Gruppe ist unter anderem Sabeth Blank, die in diversen Medien als detransitionierte Frau auftrat….“ (Klein, Irische LGB Alliance als Hassgruppe gelistet, 2022). Sabeth Blank ist auch Gründungsmitglied der im Handelsregister eingetragenen LGB Alliance. Obwohl Blank strenge Zugänge zu und Prüfungen zur Transition fordert, erklärte sie in einem Interview im Juni 2022, dass sie keine Therapie für die Hormongabe machte und für die Mastektomie keine Indikation bekam. Sie bezahlte die 5.000 Euro für die Operation selber (Jürgens, 2022).

The Real Dyke March

Eine gute Zusammenstellung der gesamten Prominenz der deutschen Radfem Szene findet sich bei den Referenten der WDI ein (WDI, 2022). Zu den Referenten gehört Ana Julia Di Lisio, die den Blog Radfem Berlin betreibt, der auf die SEGM referenziert und Teil des „Frauenaktionsbündnis FAB“ ist (Lisio, 2023). Über deren Twitter Account bekannte sich diese Gruppe zu einem Angriff auf den 7. Dyke*March am 05.08.22 in Hamburg und auf den in Berlin. Diese Bekenntnisse wanderten in der zweiten Hälfte 2022 unter das Label „The Real Dyke March“. Dort finden sich auch die Beschreibungen aller Aktionen gegen die Dyke*Marches in Köln, Berlin und Hamburg (March, 2022). Dieses Label agiert verdeckter und impressumsfrei.

Am 23. Juni 2023 führte diese Gruppe eine “The Real Dyke March” genannte Veranstaltung in Berlin durch, an der, nach eigenen Angaben, 25 Personen teilnahmen. Die Journalistin Judith Sevinç Basad nahm an dieser Demo teil und zählte selber nur 20 Frauen (Basad, 27.06.23 auf twitter).

Judith Sevinç Basad und Jan A. Karon veröffentlichten auf der Plattform “nius” am 06.07.23 ein Video, in dem “transkritische” Akteure zu Wort kommen (Basad, J.S. & Karon, J.A., 2023). Auftritte in diesem Machwerk haben die Publizistin Birgit Kelle, der Internet-Troll Bijan Tavassoli und besondere Aufmerksamkeit erfährt das Wirken von Marie-Luise Vollbrecht, zu der Zeit Doktorandin der Biologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Diese erlangte 2022 Aufmerksamkeit durch “Pensi-Witzchen” auf dem Twitter-Account “Frollein_VogelV”, mit denen sie es sogar in “Der Spiegel” schaffte.

FrauenAktionsBündnis FAB

Im Oktober 2022 veröffentlichte ein „FrauenAktionsBündnis FAB“ ein Statement, in dem sich die, mutmaßlich zu diesem Zeitpunkt aktive, deutsche Radfemszene gegen das noch in Planung befindliche Selbstbestimmungsgesetz positionierte (Engelken, 2022). Dieser sogenannte „Appell“ wurde initiiert von: Arbeitskreis „Geschlechtsbasierte Rechte der Frau“, Detrans, Fairplay für Frauen, Orga des Lesbenfrühlingstreffen LFT2021 Bremen und von Women’s Declaration International / WDI Deutschland. Dort wurde gefordert: „Das biologische Geschlecht muss als rechtliche Kategorie erhalten bleiben.“

Women’s Liberation Front (WoLF)

Deutsche radikalfeministische Gruppen haben über Julia Beck, einer US-Amerikanischen Aktivistin, Verbindungen zur Women’s Liberation Front (WoLF) (LAZ, 2021). WoLF verklagte  2016 die Obama-Regierung wegen des Versuchs, trans Schüler*innen die Nutzung der richtigen Toilette zu gewähren. Sie war bei den Berliner radikalen Lesben vom Lesbischen Aktionszentrum Ende 2020 zu einem Vortrag eingeladen und moderierte das Lesbenfrühlingstreffen (LFT) 2021 mit, deren weiter besetehnde Orgagruppe Teil des „FrauenAktionsBündnis FAB“ war (LFT, 2021).

HERITAGE

The Heritage Foundation ist eine in Europa aktive Organisation, die zu den 10 einflussreichsten rechten evangelikalen US amerikanischen Gruppen gehört. Von 2018-2019 hat sie ca. 1 Mio. USD in Europa für Aktivismus ausgegeben (Datta, 2021). The Heritage Foundation gehört zusammen mit der Women’s Liberation Front (WoLF) zu den „unterstützenden Organisationen“ des Leitfadens „Parent Resource Guide„ (Council, 2019). Angeblich eine „einzigartige Zusammenarbeit zwischen Organisationen mit sehr unterschiedlichen politischen Meinungen und einem gemeinsamen Anliegen“. Zu den miteinander agierenden Organisationen gehören neben den beiden genannten noch Family Policy Alliance, The Kelsey Coalition und die unvermeidlichen Parents of ROGD Kids.

Zu den Sponsoren der Veranstaltung „Our Bodies, our Sports“ am 23.06.22 in Washington, D.C. gehörten neben anderen The Heritage Foundation, Women’s Liberation Front (WoLF) auch Women’s Declaration International (WDI) USA (Dvorak, 2022). Auch die britische Aktivistin Kellie-Jay Keen, bekannt als Posie Parker, gehört in diesen Dunstkreis. Sie positioniert sich deutlich als Querfront-Strategin (Klein, 2023).

Das Global Gender Mapping Project wird geleitet von Alix Aharon, die zusammen mit Maria Keffler Mitgründerin von International Partners for Ethical Care ist (Lorenzen, 2022) (Kao, 2021) (Aharon, 2021). Diese wiederum sind mit Genspect vernetzt. Außerdem trat Maria Keffler auf einer Veranstaltung von The Heritage Foundation im Jahr 2021 auf. Maria Keffler gehört der „Gospel Coalition“, ein freikirchlicher Zusammenschluss der der Auffassung ist, dass Homosexualität eine Sünde sei und der Initiative „Advocates Protecting Children“.
Dieses Kartenprojekt markiert „Ziele“ für gc Aktivisten weltweit, zu denen seit 2022 vermehrt Ziele der trans Gesundheitsversorgung in Deutschland dazu kamen, darunter war auch das UKE in Hamburg. Allerdings wechselte die Karte in dem Jahr von Google Maps auf OpenStreetMap, Stand 2023 ist das UKE nicht mehr verzeichnet.

Lasst Frauen Sprechen

Im April 2023 veröffentlichten die Psychotherapeutin Stefanie Bode und die Aktivistin Rona Duwe eine Konversionsanleitung für trans Kinder, die „Elternbroschüre Wegweiser aus dem Transgenderkult”. Diese Broschüre basiert auf dem Buch „Desist, Detrans, Detox: Getting your child out of the Gender Cult“ von Maria Keffler. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) führt ein Indizierungsverfahren gegen dieses Machwerk durch. Die BzKJ kann konkrete Maßnahmen anordnen und in letzter Konsequenz bei Nichtbefolgung Bußgelder in einer Höhe von bis zu 50 Millionen Euro verhängen. Außerdem wurde gegen Bode ein berufsrechtliches Verfahren der zuständigen Psychotherapeutenkammer Bayern eingeleitet (Wagner, 2023).

Netzwerke

An dieser Aufstellung wird deutlich, dass die Ablehnung geschlechtlicher Vielfalt das verbindende Element ganz unterschiedlicher Akteure ist. Mit viel Geld, Pragmatismus und nüchternem politischem Kalkül wird für das gemeinsame Ziel gearbeitet. Transfeindlichkeit erweist sich als direkter Weg zur Radikalisierung. Vereint durch die biologistische essenzialistische Definition von Geschlecht, werden rechtes Vokabular und Schlagworte wie „Genderideologie“ in zentristischen und einigen linken Kreisen Mainstream. Die Genderkritiker driften in immer extremere Positionen.

Wohin diese Koalitionen führen, ist in einigen amerikanischen Bundesstaaten, in Ungarn und Polen zu beobachten. Der Kampf gegen Minderheiten wird dort staatlich organisiert. Die Demokratie und mit ihr die Frauenrechte werden unterhöhlt.

Weiterführende Informationen

  1. Weiterführende Informationen finden sich in Lee Leveilles Untersuchung „When Ex-Trans Worlds Collide„(Leveille, 2021) und der Anti-Trans Conversion Therapy Map of Influence.
  2. Im Report des „European Parliamentary Forum for Sexual and Reproductive Rights“ über die Aktivitäten evangelikal christlicher und rechter Akteure, die darauf abzielen, den Zusammenhalt in demokratischen Gesellschaften zu stören (Datta, 2021).
  3. Eine gute Analyse von pro familia zeigt beispielhaft die Strategien und Ziele eines Netzwerks gegen sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte in Europa auf (Bundesverband, 2019).
  4. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, hatte sich dazu auf den EMOTION Women’s Days 2021 geäußert (Halfwassen, 2022).
  5. https://www.vice.com/en/article/v7dm53/gender-critical-movement-misinformation
  6. https://www.awid.org/news-and-analysis/trojan-horses-human-rights-spaces
  7. https://www.volksverpetzer.de/lgbtqi/extreme-rechte-feministinnen/
  8. https://www.belltower.news/ideologie-was-transfeindlichkeit-mit-antisemitismus-zu-tun-hat-118187/

Literaturverzeichnis

Aharon, A. (2021). The Gender Map. Abgerufen am 03. 03 2023 von gendermapper.org/: https://www.gendermapper.org/name-and-shame-doctors

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Weiterlesen: Radikalfeminismus

Geschlechter- und Altersverteilung bei Transsexualität 2021

Die trans Zahlen im Überblick

Sie dienen Ihnen als schnelle Orientierung. Wenn Sie Zahlen lesen oder veröffentlichen wollen, die wesentlich von diesen abweichen, bitte überprüfen Sie solche Zahlen bei einer neutralen Quelle. Die hier veröffentlichten Zahlen (N=863) kann ich belegen, aber ich bin keine neutrale Quelle.

Anzahl Menschen, die sich als trans bezeichnen gesamt:
0,8% Frauen, 0,6 % Männer (Jones, 2022) in Deutschland (Bundesamt, 2021) 337.000 trans Männer und 246.000 trans Frauen, im Verhältnis 1,4:1. Jährliche Steigerung seit 2012 = 5,6%)

Dgti Ergänzungsausweis (Regh, Wißgott, & Weitzel, 2021)
3455 (2021) M 1678, F 959, NB 818; 2,1:1,2:1

Verfahren nach Transsexuellengesetz (TSG) (Justiz, 2020)
2.582 (2019)
Detransitionen (Weitzel, 2021)
11 (2019) 0,43%

Geschlechtsangleichende Operationen (Brandt, 2021)
2.155 (2020), u20=164, u15=keine

1. TransSuchtHilfe in Zahlen

(Zahlen in Klammer sind Vorjahreszahlen (2020,2019))

Die Anzahl der Menschen, die bei uns Hilfe suchen, steigert sich bisher jedes Jahr deutlich. Waren es 2019 127 Menschen, stieg die Zahl 2020 auf 261 Menschen und 2021 auf 454 Menschen. Das war im ersten Jahr eine Steigerung um 106% und im letzten Jahr eine Steigerung um 74%.

Abb. 2021/1 4Be, N= 863

Wir nahmen jede Woche 7 (5;3) neue Klient_innen auf und hatten 2021 454 (267;129) Klient_innen betreut und dokumentiert. Wir haben in dem Jahr 370 (193;127) neu aufgenommen, aus dem Vorjahr befanden sich noch 78 (6) Klient_innen in Betreuung.

Von den dokumentierten Beendigungen waren 169 (120;53) regulär und 74 (57;37) Weitervermittlungen. Im Träger wurden 33 (24;26) Klient_innen zur weiterführenden Suchtbehandlung vermittelt.

Die Anzahl der Vermittlungen in weiterführende Suchtbehandlung stagniert auf niedrigem Niveau, weil uns das „Hinterland“ fehlt. Nach wie vor sind wir die einzige Suchtberatungsstelle mit dem Schwerpunkt Geschlechtsdiversität bundesweit. Obwohl wir Anfragen bis aus der Schweiz bekommen, gibt es keine geeignete teilstationäre oder stationäre Einrichtung, zu der wir unsere Klient:innen vermitteln können. Es reicht im Zweifel ein nicht supportiver Mitarbeiter oder Mitklient und die Behandlung für unsere Klient:innen ist unmöglich.

Bei 125 (48;32) Klient_innen haben wir eine einmalige Beratung durchgeführt. 329 (219) Klient_innen sind bei uns weiterführend beraten worden. 179 (178;93) Klient_innen wurden weitervermittelt, bzw. entlassen.

Abb. 2021/3 4Be, N= 454, Aufnahmejahr der Klient:innen 2021

Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund hat sich im Verhältnis leicht verringert 9% (10%;10%). Die Entwicklung bezüglich der Arabischen Community hat sich verstetigt. So kamen aus 6 (9;6) Menschen aus dem arabischen Kulturkreis zu uns.

Der Anteil der in der Sexarbeit tätigen trans Menschen, die zu uns kommen, hat sich erhöht. Sie haben in der Regel unter spezifischen Zwängen in der Sexarbeit gearbeitet und sind mittlerweile zu alt oder zu krank dafür. Die Klientinnen kamen Südamerika 7 (3;3), aus Asien 1 (2;0), aus Russland und Osteuropa 6 (0;0) und aus Afrika 4 (1,1). Da sie bisher kaum Maßnahmen zur medizinischen Transition durchführen konnten, sind das häufig dringliche Anliegen. Zum Teil liegt eine jahrelange illegale Hormoneinnahme vor, die zügig einer kontrollierten ärztlichen Kontrolle zugeführt werden muss. Nach wie vor gibt es schwere Komorbiditäten, wie polytoxer Konsum und HIV Infektionen.

2. Suchtberatung

Die Bedeutung von Sucht im Kontext von Geschlechtsdiversität haben wir ausführlich im Jahresbericht 2020 dargelegt. Mittlerweile sind mehrere Fachartikel dazu erschienen, unter anderem im Eppendorfer (Hinrichs, 2021) und in Konturen (Kost, 2021). Deshalb beschränken wir uns auf die Darlegung der aktuellen Zahlen. Der Anteil der Menschen, von denen wir keinen Suchtstatus haben, ist im letzten Jahr deutlich gesunken. Er lag bei 17% (31;31) bzw. 76 Personen. Das sind deutlich weniger, als die 122 Einmalkontakte, die bei uns waren. Das liegt an der konsequenten Fragebogenerhebung, die wir bei unseren Klient:innen durchführen und bei der wir den Suchtstatus abfragen. Die Quote der Menschen mit einer Suchtthematik ist entsprechen auf 83% gestiegen (69 %;69%).

Abb. 2021/5 4Be, N= 839, Sucht in %, ohne unbekannt

Nach wie vor stehen, bei der bestehenden Altersverteilung, die Verhaltenssüchte mit 175 (71;22) 46% Menschen vor den Substanz induzierten Süchten 167 (84,59) 44%. Wir haben begonnen nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten (NSSV) getrennt zu erfassen und sind auf 26 Fälle gekommen. Das ist aber zur Gesamtzahl Verhaltenssüchte noch nicht gut abgegrenzt.

Problematischer Alkoholkonsum konnte bei 19 % (17;29) festgestellt werden und ist stabil die stärkste Suchtform. An zweiter Stelle der Suchterkrankungen steht übermäßiger Internet und social media Gebrauch mit 17% (10;6) und hat damit an Stellenwert gegenüber den Vorjahren gewonnen. Der Cannabiskonsum legt mit 13% (7;6) auch an Bedeutung zu. Das hängt aber eher mit der besseren Erfassung der Suchtfragen bei unseren Klient:innen zusammen.

Essstörungen haben mit 8% (9;4) in der Reihung Anorexie (4 %), Binge Eating (3 %) und Bulimie (1 %) nach wie vor Bedeutung. Alle anderen Suchtformen spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Nikotin und Medikamentenabhängigkeit haben als Thematik mit jeweils 2 % (3;6) und >1% (2;5) keine Relevanz bei unseren Klient:innen.

3. Geschlechterverteilung

Die Verteilung der Geschlechter ist seit drei Jahren stabil. Wir haben 205 (122) Menschen, die sich dem transmännlichen Spektrum zuordnen, 186 (104) Menschen ordnen sich dem transweiblichen Spektrum zu und 63 (34) Menschen ordnen sich nicht in das binäre Spektrum ein, mit unterschiedlichen Selbstdefinitionen. Der Abstand der Männer zu den Frauen ist mit 4% (7;3) im Rahmen statistischer Schwankungen.

Abb. 2021/6 4Be, N= 839, Geschlechterverteilung absolut

Sofern uns das möglich war, haben wir das nichtbinäre Spektrum nach assigned female/male at birth (afab/amab) kategorisiert. Die Fragestellung war, ob sich zunehmend Menschen aus dem transweiblichem Spektrum nichtbinär einordnen und sich deshalb der leicht höhere Anteil der Männer erklären lässt. Tatsächlich liegt die Verteilung bei ¾ zu ¼ afab zu amab. Die Verteilung von afab zu amab liegt bei uns, über alle Betreuten, bei 56% zu 44%. Es ist damit definitiv, der Anteil der Menschen, die bei der Geburt weiblich bezeichnet wurden, hat einen Abstand von 12% und ist um 25% höher, als der bei der Geburt als männlich bezeichneten Menschen. Das Verhältnis beträgt 1:1,3 amab zu afab aber entspricht bei weitem nicht den Zahlen 1:20, die „Der Spiegel“ kürzlich mutmaßte (Pfister, 2022). Die höchste Geschlechterdifferenz in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung in Deutschland, die mir bekannt ist, ist das Verhältnis von 1:10,1 für die Erhebungsjahre 2018 und 2019 bei Jugendliche im TSG Verfahren bis 19 Jahre Alter (Meyenburg, 2020).

Beim Kontakt mit der Beratungsstelle sind deutliche Altersunterschiede erkennbar. Der Altersdurchschnitt lag bei den Männern bei 23,3 (24,5;26,4) Jahren und ist im Vergleich zu den Vorjahren weiter gesunken. Vergleichbare Zahlen sind der Altersdurchschnitt beim Ergänzungsausweis bei 24,5 Jahren für das Jahr 2016 und in der Seikowksi Studie (Seikowski, 2019) bei 26,4 Jahren, gezählt von 1988 bis 2015.

Der Altersdurchschnitt lag bei den Frauen stabil bei 31,7 (31,7;40,6) Jahren. 2019 war bei uns deshalb ungewöhnlich, weil wir eine Reihe älterer Frauen in die Transition gebracht haben, die das vor dem Hintergrund komplexen Suchtgeschehens bisher nicht konnten. Vergleichbare Zahlen sind der dgti Ergänzungsausweis (Schaaf, 2019) für das Jahr 2016 mit 37,9 und bei der Untersuchung von Seikowski lag der Schnitt bei 35,5 Jahren.

Der Altersdurchschnitt bei nicht binären Menschen lag 2021 bei 29,2 (28,4) Jahren. Offensichtlich steht der Kontakt zum Hilfesystem bei Nicht Binarität im Kontext einer längeren Entwicklung.

Insgesamt gibt es auch bei uns einen zu beobachtenden Trend, dass jüngere Menschen den Kontakt zu uns suchen. Das liegt allerdings vor allem an der sich verschlechternden Versorgungslage. Dazu folgt eine Sonderauswertung in einem eigenen Kapitel. Es gibt zwei typische Transitionskurven, eine zwischen dem 18ten und 25ten und, bei den Frauen, eine deutlich abgeflachtere Kurve von Spätransitioniererinnen, die ab dem 50ten Lebensjahr beginnen. Das ist Ausdruck von gesellschaftlicher Abwertung von Frauen generell und trans Frauen im Besonderen. Der Abstand zwischen den Geschlechtern liegt bei 8,4 (7,2;14,2) Jahren und ist leicht angestiegen.

4. Entwicklung der Zahlen

Die jetzt erwachsenen Menschen der Generation Z, also die zwischen 1997 und 2003 geborenen Menschen, bezeichnen sich selber zu 21% als dem LGBT Spektrum als zugehörig, mithin jeder 5te Mensch (Jones, 2022). Das ist praktisch die doppelte Anzahl, verglichen mit der vorherigen Generation, der Millennials und entfernt sich immer deutlicher von älteren Generationen. Wenn die Suchtkrankenhilfe sich auf diese Veränderungen nicht einstellt, verliert sie den Kontakt zur jungen Generation.

Abb. 2021/14 4Be, Prozentuale Veränderungen von der Basis 2012 = 0% in den Faktoren Gallup Studie, Transsexuellengesetz, dgti-Ausweis und geschlechtsangleichende Operationen.

Es gibt aktuelle Studien zur Entwicklung der Zahlen im LGBT Spektrum. Eine der umfassendsten Studien ist die des Gallup Institut in den Vereinigten Staaten (Jones, 2022). Die neuesten Ergebnisse basieren auf mehr als 12.400 Interviews, die im Jahr 2021 mit Menschen im Alter von 18 Jahren und älter durchgeführt wurden. In dem Zeitraum von 2012 zu 2021 steigerte sich der Anteil von erwachsenen Menschen, die sich dem LGBT Spektrum zuordnen von 3,5% auf 7,1%. Das ist eine Steigerung von jährlich 5,6%. Nach den Zahlen des Bundesamts für Justiz (Justiz, 2020) ist, seit Aufhebung des OP-Zwangs für die Personenstandsänderung im Jahr 2011, die Anzahl der Verfahren nach dem Transsexuellengesetz (TSG) von 1.657 auf 2.582 Fälle bis 2019 gestiegen, bereinigt um die Zahlen des §45. Das ist eine Steigerung in 8 Jahren jährlich von 7%. Soweit sie bekannt sind, bewegen sich folglich die Zahlen in Deutschland auf vergleichbarem Niveau wie in den USA.

5. Transition

Nach drei Jahren Arbeit liegen in diesem Jahr zum ersten Mal aussagekräftige Zahlen zum Transitionsverhalten vor. Für 2/3 der erwachsenen Klient:innen sind Unterstützung in Zusammenhang mit der Geschlechtsdiversität von Relevanz. Gut 1/3 (31%) benötigen keine direkte Unterstützung bei der Transition. Hier steht das Suchtgeschehen alleine im Vordergrund. Bei den unter 18jährigen in dieses Verhältnis umgekehrt. Hier leisten wir nur bei 1/3 aller Menschen in der Beratung Unterstützung in Bezug auf die Transition.

Hormonindikationen stehen nach wie vor im Vordergrund der spezifischen Leistungen. Insgesamt haben wir 256 Indikationen für die Hormonsubstitution ausgestellt. Davon waren nur 11 Indikationen für unter 18jährige, hier müssen die Eltern unterstützend sein. Fachliche Grundlage ist die S3 Leitlinie von 2018 (Nieder, 2018). Demnach stellen wir nur qualifizierte Indikation aus. Zu den Voraussetzungen gehören mindestens 5 Beratungsstunden, der selbstverfasste transspezifische Lebenslauf und ein individuell begründetes Indikationsschreiben.

In deutlich geringeren Umfang konnten wir Wünsche nach operativen Eingriffen begleiten. Die Hürden dafür sind mit 12 Monaten therapeutisch begleitetem Alltagstest und 12 Therapiesitzungen in 6 Monaten deutlich höher. Ab November 2020 trat die neue Begutachtungsanleitung, Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V, Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F64.0), (MDS, 2020) in Kraft. Die neue mds Richtlinie verbesserte die Situation, weil die psychiatrische Zweitsicht wegfiel und die Rolle der Psychotherapeuten gestärkt wurde, da sie alleine die Begutachtung durchführen können. Die Begutachtungsanleitung ist nur für die Medizinischen Dienste, die Krankenkassen und deren Verbände verbindlich, wenn eine Kostenerstattung notwendig ist. Behandlungen ohne MDK Begutachtung, fallen nicht unter diese Richtlinie, hier gilt weiterhin die S3 Leitlinie von 2018 (Nieder, 2018). Allerdings erhöhte die neue Richtlinie die Nachfrage nach diesen Indikationen deutlich.

Ärgerlich an der neuen Richtlinie ist der unnötige Zwang in die Binarität der Geschlechter, das produziert „Regretter“ geradezu. Außerdem widerspricht die Richtlinie damit dem Stand höchstrichterlicher Rechtsprechung (Munz, 2021).

Abb. 2021/11 4Be, N= 520, 2019-2021, Alter Beginn somatischer Transition

Hormone werden auf Grundlage der ärztlichen Therapiefreiheit, und der S3 Leitlinie, nach einer psychologischen Indikation, endokrinologisch verschrieben. Nach der ärztlichen Therapiefreiheit haben Ärzt_innen die Freiheit, unter medizinischen Gesichtspunkten selbstständig und frei von äußeren Weisungen über die im Einzelfall erforderliche Behandlung zu entscheiden. Die Ärztin kann auch nicht durch eine psychologische Indikation zur Hormonbehandlung gezwungen werden.

Die Indikation für geschlechtsangleichende Maßnahme erfolgt in zwei Schritten (MDS, 2020):
eine psychiatrische oder psychotherapeutische Indikationsstellung und die somatisch-ärztliche Indikationsstellung durch die Ärztin/den Arzt, die/der die Maßnahme durchführen soll. Dafür ist mindestens eine Kurzzeittherapie von 12 Sitzungen á 50 Minuten in mindestens 6 Monaten, inklusive der Diagnostik notwendig. Die komorbiden psychischen Störungen müssen benannt und behandelt werden. Bei genitalangleichenden Operationen bedarf es mindestens 12 Monate therapeutisch begleitete Alltagserfahrungen.

Abb. 2021/12 4Be, N= 452, 2019-2021, Alter Beginn Hormonsubstitution (u18 max. 6%, u14=0)

Zunächst einmal bestätigen die Zahlen von 4Be jede seriöse Quelle zu solchen Maßnahmen, eine körpermodifizierende Maßnahme wird überwiegend erst im erwachsenen Alter angestrebt. Wir haben es folglich mit eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Menschen zu tun. Damit sind die Bedingungen eines „informierten Konsens“ (Nieder, 2018) erfüllt.

Es gibt erheblich geschlechtsspezifische Unterschiede: Männer beginnen ihre Transition in den 20ern und Frauen erst in den 30ern, damit deutlich später. Männer beginnen die Hormonsubstitution im Schnitt mit 23,5 Jahren und streben vor allem die Mastektomie mit 25,2 Jahren an. Es liegen 1,7 Jahre zwischen diesen Schritten. Allerdings streben nur 18% (!) der Männer nach der Hormoneinnahme auch chirurgische Maßnahmen an. Es gibt keinen unmittelbaren Folgezusammenhang zwischen der Hormongabe und genitalangleichenden Operationen.

Abb. 2021/13 4Be, N= 68, 2019-2021, Alter genitalangleichende OP (u18=0)

Die Frauen beginnen die Hormonsubstitution erst im Alter von 32,6 Jahren und streben genitalangleichende Maßnahmen deutlich später im Alter von 39 Jahren an. Es liegen hier ganze 6,4 Jahre zwischen den Transitionsschritten. Für die Frauen sind die Wirkungen der Hormone für die Transition insgesamt so bedeutsam, dass viele erst spät mit dem Alltagstest beginnen können. Sie setzen sich sonst erheblicher Gewalt in der Öffentlichkeit aus. Das drückt sich durch die Vielzahl von polizeilichen Ermittlungsverfahren aus, die wir mit unseren Klientinnen im Jahr 2021 initiieren mussten. Das erklärt, warum sich nur 12 % sich zu genitalangleichenden Operationen entscheiden. Immerhin 6 % weniger, als bei den Männern. Die Altersunterschiede liegen bei 9,1 Jahren.

Es gibt also signifikante Geschlechterunterschiede bei den konkreten Schritten zur Transition. Trans Männer sind in der gesamten Lebensspanne deutlich früher aktiv. Trans Frauen werden erst steigend mit zunehmenden Alter aktiv. Diese Fakten unterstreichen, dass die fiktive Erkrankung „ROGD“ oder die Haltung von Beratungsstellen keinerlei Einfluss auf das Transitionsverhalten von Transsexuellen haben. Wenn das so wäre, würde es diese gravierenden Abweichungen zwischen den Geschlechtern nicht geben.

Es sind Faktoren, die einer wissenschaftlichen Analyse bedürfen. Es gibt Gründe mit offensichtlichem Charakter und die können benannt werden:

  1. Die Pubertät bei afab Jungs setzt deutlich früher ein.
  2. Die Folgen der Pubertät für die Jungs sind intensiver, durch das zum Teil erhebliche und schnelle Wachstum der Brust, das Einsetzen der Blutung und die Entwicklung der Hüften.
  3. Es ist für afab Jungs eher akzeptiert, männlich konnotierte Kleidung und Haarschnitte zu tragen und wird gesellschaftlich toleriert.
  4. Wenn mit Testosteron begonnen wird, setzt eine männliche Pubertät mit Stimmbruch ein, die ein einfacheres Passing ermöglicht.
  5. (Trans) Weiblichkeit wird abgewertet und die amab Mädchen sind deutlich mehr Gewalt ausgesetzt.
  6. Die Mädchen und Frauen verlieren eher die sozialen und beruflichen Bindungen.
  7. Trans Frauen sind stärker von Armut und Obdachlosigkeit bedroht.

Abb. 2021/13 4Be, N= 520, 2019-2021, Differenz Hormone zu GaOP in absoluten Zahlen (u18=0)

Bei den körpermodifizierenden Schritten sind in der Lebenszeitperspektive die Unterschiede zwischen den Geschlechtern gering. Sie betragen im Verhältnis Männer zu Frauen bei 4Be nur 1,1:1. Insgesamt gibt es keine signifikanten Veränderungen oder Steigerungsraten in der Gruppe der bei der Geburt als Mädchen einsortierten Jugendlichen. Die Verteilung der Geschlechter ist als stabil zu bezeichnen. Der „Hype“ hat politische Ursachen und ist medial zu verorten.

6. Sonderauswertung zur aktuellen Entwicklung bei trans Kindern und Jugendlichen

Die therapeutische Behandlung von trans Kindern und Jugendlichen steht unter großem öffentlichem Druck. Die Zeitschrift EMMA hatte Anfang 2020 (Louis, Amelung, & Korte, Sie Er Ich – Einfach das Geschlecht wechseln?, 2020) eine Medienkampagne gegen trans Kinder und Jugendliche begonnen. Die dort benannten Narrative wurden vom rechten politischen Diskurs genutzt, um als Grundlage verschiedener AfD Propaganda Initiativen zu dienen (Petersen, et al., 2021). Ein Ziel dieser politischen Agitation ist es, die Behandlung unter 18-jähriger trans Kinder und Jugendlichen zu verhindern oder mindestens deutlich zu erschweren.

Im Jahr 2016 wurde im Internet ein Phänomen kreiert das „Rapid Onset Gender Dysphoria – plötzlich auftretende Geschlechtsdysphorie“ (ROGD) genannt wurde (Davies-Arai, 2016). Die Namensgebung suggeriert, es handele sich um eine anerkannte Diagnose. ROGD und Autogynephelie sind frei erfundene Typologien von angeblichen psychischen Krankheiten. Damit sollte die Wahrnehmung der Eltern von trans Kindern erklärt werden, dass ihre Kinder scheinbar plötzlich, oft während der Pubertät, trans würden und dass die Ursache darin bestände, dass sie Kontakt zu gleichaltrigen trans Kindern hatten und mit trans-thematisierenden sozialen Medien interagierten. ROGD unterstellt, dass die betroffenen Jugendlichen eine falsche, weil extern aufgezwungene, Geschlechtsdysphorie erleben würden (Serano, 2018).

Im Fokus der Kontroverse stehen als Mädchen bei der Geburt einsortierte Jugendliche (afab) [assigned female at birth, bei der Geburt weiblich einsortiert]. Angeblich würden diese sich verleiten lassen, Transgeschlechtlichkeit als Ausweg aus praktisch jeder in der Adoleszenz vorkommenden Lebenskrise zu wählen (parentsofrogdkids, 2017). Dies würden sie später bereuen und wieder zu Mädchen detransitionieren wollen. In Deutschland wird eine ähnliche Position von Dr. Alexander Korte vertreten. Er macht öffentlich Mutmaßungen über einen „Trans-Hype“ (Louis, Amelung, & Korte, Sie Er Ich – Einfach das Geschlecht wechseln?, 2020).

6.1.            Aktuelle Zahlen und Daten

Nach der Gallup Studie läge der Anteil der Jungerwachsenen in der Generation Z (geboren 1997 – 2003), die sich als transgender bezeichnen, bei 2,1% (1,8%) (Jones, 2022). Wenn diese Zahl in derselben Altersgruppe auf ganz Deutschland gerechnet wird, gäbe es aktuell 125.000 trans Menschen dieser Alterskohorte (Bundesamt, Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland zum 31. Dezember 2020, 2022). In dieser Generation Z rechnen sich 20,8% dem LGBTIQ Spektrum zu, das sind 1/5 oder 1.241.000 Menschen in ganz Deutschland.

Abb. 2021/15, 4Be, N=842 Prozentuale Veränderungen der u18 Jährigen im Vergleich zu ü18 ausgehend von der Basis 2019 = 0%

Wenn wir uns die Veränderungen in den konkreten Zahlen ansehen, steigen sie in allen Messzahlen kontinuierlich an. Die Steigerungsraten folgen dem Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung, wie durch Gallup Studie dargestellt wird. Offensichtlich erleben wir zurzeit einen Normalisierungsprozess, der sich entlang gewachsener Freiheitsgrade entwickelt. Wie bei vergleichbaren Normalisierungskurven, wird sich die Steigerungsrate in der weiteren Zukunft abflachen.

Die Steigerungsraten in der Beratungsstelle zeigen einen gleichförmigen Verlauf. Sowohl u18 als auch ü18 zeigen keinerlei Auffälligkeiten oder Abweichungen gegeneinander. Die zum Teil hysterischen Meldungen in der Öffentlichkeit über ungewöhnliche Steigerungen bei weiblichen Jugendlichen (5 337% bei Mädchen) lassen sich aus unseren Zahlen nicht herleiten (Bartosch, 2021). Mädchen und Jungen sind in ihrer Dynamik identisch. Sie liegen also in einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Beratungsstelle begründet.

Abb. 2021/16, 4Be, N=842 Anteil der u18 Jährigen

Warum wollen sich nicht massenhaft 14 jährige Mädchen die Brüste abschneiden? Das hat mit systemischen Zeitabläufen bei Transgeschlechtlichkeit zu tun. Deshalb bleiben in der therapeutischen Beratungsarbeit auch in Zukunft Kinder und Jugendliche eine kleine Gruppe. Das liegt an dem nach wie vor großem Abstand zwischen dem Bewusstsein, dass etwas mit der eigenen Geschlechtlichkeit nicht stimmt, dem innerem Coming Out, dem äußeren Coming Out und dem Ergreifen von konkreten Schritten zur Transition.

Gut die Hälfte aller trans Menschen wissen vor dem 10. Lebensjahr, dass etwas mit ihrem Geschlecht anders als erwartet ist (M 53%, W 45%). Das Durchschnittsalter liegt bei 8 Jahren (M 8,7; W 7,3), die trans Mädchen sind bei dem Registrieren von inneren Konflikten zur eigenen Geschlechtlichkeit etwas früher, als die Jungen.

Ein inneres Comming Out, also eine innere Klarheit über das eigene trans sein, haben bis zum 14ten Lebensjahr erst 28% (M 33%, W 22%). Den entscheidenden Impuls für das innere Coming Out geben die körperlichen Veränderungen in der Pubertät. Deshalb ist der entscheidende Lebensabschnitt für das innere Coming Out auch das Alter zwischen 14 und 18 Jahren (M 54%, W44%). Trotzdem gibt es in den Mittelwerten gravierende Geschlechterunterschiede beim inneren Comming Out. Jungen haben im Schnitt mit 15 Jahren ihr inneres Comming Out, Mädchen erst mit 23 Jahren. Das liegt an den immerhin 1/3 Frauen, die ihr Comming Out erst nach dem 18 Lebensjahr und viel später haben.

Das Durchschnittsalter der trans Jungen liegt um 8 Jahre vor den trans Mädchen. Bis zum 18ten Lebensjahr wissen es 88% der trans Männer und 67% der trans Frauen. Die unterschiedlichen hormonspezifischen Pubertätsverläufe sind eine mögliche Erklärung für eine frühere Entwicklung bei den trans Jungen. Zudem sinkt das Eintrittsalter in die Pubertät bei beiden Geschlechtern kontinuierlich (Brix, et al., 2019).

Diese komplexen Verläufe zeigen, dass es völlig ausgeschlossen ist, dass massenhaft junge Menschen transitionieren werden und dass sich an diesen Zahlen grundsätzlich kaum etwas ändern wird.

Der Anteil der Jugendlichen hat sich in den letzten Jahren leicht erhöht auf 7% (5,5). In den ersten beiden Jahren haben wir die Jugendlichen in die etablierten Einrichtungen verwiesen. Wir waren allerdings zunehmend mit “Wartezimmerklient*innen“ und ihren Eltern konfrontiert. Diese werden über Jahre durch eine Vielzahl von Behandlungen geschleust. Häufig werden die Kinder mit diversen Psychopharmaka ruhiggestellt und bekommen psychiatrische Diagnosen. Solche Diagnosen sind im Fachkontext bei Minderjährigen umstritten (Brisinski, 2021).

6.2.            Medizinische Maßnahmen

Medizinische Maßnahmen zur Transition sind in Deutschland nur schwer zu bekommen. Es gibt sehr begrenzte Behandlungskapazitäten, mit Wartezeiten über viele Monate. Weil die Versorgung mangelhaft ist, gehört trans Geschlechtlichkeit zu den „unterdiagnositizierten“ Phänomenen (Maur, 2021). Jugendliche bekommen Hormone regelhaft frühestens ab einem Alter von 16 Jahren und nur nach Vorlage von zwei Indikationen, davon muss eine psychiatrisch sein. Für operative Maßnahmen liegen die Schwellen noch höher, dafür werden zwei indikative Gutachten benötigt und es sind zahlreiche weitere Bedingungen zu erfüllen.

Abb. 2021/16, 4Be, N=74 Maßnahmen bei u18 Jährigen

Der 2/3 (67%) der Jugendlichen nimmt ausschließlich unser Beratungsangebot in Anspruch. Personenstandsrechtliche Anträge wurden in unserem Kontext gar nicht betreut. Ebenfalls gab es keinen körpermodifizierenden operativen Eingriff, den wir begleitet haben.

Bei einem Drittel haben wir Indikationen für Blocker und/oder Hormonbehandlungen ausgestellt. Hormonblocker halten wir nur in begrenzten Rahmen für sinnvoll, weil sie die Kinder in eine künstliche Memopause bringen. Der längerfristige Zustand ohne geschlechtsspezifische Hormone und damit einer richtigen Pubertät, koppelt die Jugendlichen zu weit von ihren Altersgenoss*innen ab.

Körpermodifizierende Behandlungen, in Bezug auf Transgeschlechtlichkeit, werden zu über 97% erst im Erwachsenenalter angestrebt. Der Anteil der Jugendlichen in der Beratung ist stabil. Die Verteilung der Geschlechter ist ebenfalls als stabil zu bezeichnen

6.3.            Rechtliche Rahmenbedingungen

Es gibt keinen Grund, therapeutische Maßnahmen für trans Kinder und Jugendliche im Besonderen zu beschränken (Siedenbiedel, 2016). Sie haben sich an dem zu orientieren, was allgemeingültige Rechtsprechung ist. Zumal die gesellschaftliche Diskussion sich hin zu der notwendigen Stärkung der Rechte Minderjähriger orientiert. Der Deutsche Ethikrat hat im Februar 2020 in seiner Ad-Hoc-Empfehlung (Ethikrat, 2020) festgestellt: „Ist das Kind hinreichend einsichts- und urteilsfähig, um die Tragweite und Bedeutung der geplanten Behandlung zu verstehen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und danach zu entscheiden, muss sein Wille maßgeblich berücksichtigt werden. Ohne seine Zustimmung oder gar gegen seinen Willen – allein aufgrund der Einwilligung seiner Eltern – darf das Kind dann nicht behandelt werden.“

Bei gesetzlich versicherten Kindern und Jugendlichen gilt nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB I, dass Jugendliche von der Vollendung des 15. Lebensjahres an selbständig alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, ohne Einwilligung oder Genehmigung ihrer Erziehungsberechtigten, in Anspruch nehmen können (Netzer-Nawrocki, 2018). Ob ein Kind selbst in einen geschlechtsangleichenden Eingriff einwilligen kann, beurteilt sich nach § 630d BGB. Entscheidend ist, ob das Kind als Patient einwilligungsfähig ist oder nicht. Jeder ärztliche Heileingriff, wie die Verschreibung von Blockern oder Hormonen, erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung. Es gilt, dass die Einwilligungsfähigkeit eine Frage der individuellen Reife ist (Bundestag, 2020). Grundsätzlich gibt es keine Altersgrenzen! Selbst wenn bei Minderjährigen unter 16 Jahren die Umstände des Einzelfalls maßgebend sind und bei Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren in der Regel von der Einwilligungsfähigkeit ausgegangen werden kann.

6.4.            Nehmen wir das Thema endlich ernst!

Transgeschlechtliche Kinder existieren. Trans Kinder sind kein Phänomen unseres Internet Zeitalters, es gab sie zu allen Zeiten (Levin, 2021). Wenn ein Kind mitteilt, dass es unter geschlechtsspezifischer Dysphorie leidet, liegt dies nicht daran, dass es von anderen Kindern vom „trans Virus“ angesteckt wurde oder weil es „trendy“ ist. Die weitaus wahrscheinlichste Erklärung ist, dass es einfach unter einer Dysphorie des Geschlechts leidet. Kinder müssen ernst genommen werden. Sie brauchen einen Raum, um ihr Geschlecht zu erforschen und um herauszufinden, wer sie wirklich sind.

Kinder und Jugendliche haben Rechte. Dazu gehört „ein Leben entsprechend der eigenen, subjektiv empfundenen geschlechtlichen Identität zu führen und in dieser Identität anerkannt zu werden.“ (Ethikrat, 2020)

7. Literatur

Bartosch, J. (05 2021). Erfolgreich verhindert! EMMA, 71-73.

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Brix, N., Andreas, E., Braskhøj Lauridsen, L., Parner, E., Støvring, H., & Brink Henriksen, T. (11. 11 2018). Timing of puberty in boys and girls: A population‐based study, Pediatric and Perinatal Epidemiology, 2018. doi:10.1111/ppe.12507

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Weitzel, P. (2021). Ist Detransition ein Thema? Frankfurt: Facebook.

 

Alltagstest, aber wie?

Aus dem TS-Journal. 2/1985, Seite 16-18: Alltagstest, aber wie?

In einer Situation, in der die Hormone faktisch noch nicht angeschlagen haben, in den Alltagstest einzusteigen, ist ein Spiel mit dem Leben. Als ich damit begann, konnte ich nicht mehr zurück. Nicht nur, weil ich mich in aller Augen unglaubwürdig gemacht hätte. Ich konnte und wollte meine alte Rolle nicht mehr annehmen, zu lange hatte ich unter ihr gelitten. Alte Probleme habe ich gegen neue eingetauscht. Mein Leben ist schwieriger geworden, anstrengender. Es ist aber, nach außen hin, nicht mehr die Lüge, die es war. Ich fühle mich jetzt “richtig”. 

Als wirkliches Problem hat sich viel stärker mein Körper herausgestellt. Die Widersprüche sind unerträglich. Ich habe starke Minderwertigkeitsgefühle den anderen Frauen gegenüber. Solange ich noch so leben muß, werde ich mich nicht integriert fühlen. Die meisten anderen Probleme des Alltagstest entstehen in meinem Kopf, Resultate meiner Angst – wie die Schlußszene zeigt, die Mädchen nehmen in Wirklichkeit kaum Notiz von mir.  Es gibt Probleme mit Jugendlichen in der Nachbarschaft. Vor allem mit Leuten, die meine alte Rolle kennen und nicht mit mir sprechen können.
Zum Praktischen muß ich sagen, daß ich mich weigere, mich wieder zu verkleiden. Von meinem Busen zeige ich, was ich habe (so gut wie gar nichts). Den Bartschatten schminke ich über. Meine Kleidung ist der Großstadt modisch anpepasst (wozu durchaus auch Jeans gehören). Bis zu einem gewissen Grad habe ich mich eingelebt. Die Panikstimmung der ersten Tage ist fast verflogen. Es gibt Ansätze von Normalität.

Es fällt mir schwer, bei der Bearbeitung dieses Artikels, diese Szenen noch einmal mitzuerleben. Dabei herausgekommen ist ein Fragment der ersten sechs Tage. Die Generalprobe und die ersten zwei Tage im Betrieb.

Donnerstag

Jetzt zum ersten Mal richtigen Alltagstest, mit den roten Schuhen und dem gelben Pullover. Bin ziemlich aufgeregt, aber zum Bahnhof bin ich ganz gut gekommen. Ich habe mich weder geschminkt, noch habe ich mir einen “falschen” Busen gemacht. Ein paar Haare kurz wegrasiert. Wenn’s klappt, wär’s echt Klasse.
In der S-Bahn setzt sich eine Frau in meinem Alter neben mich. Völlig gleichgültig. Wirft mir nach einer Weile ein paar kurze Blicke zu, strickt ungerührt weiter. Etwas später fragt eine ältere Frau, ob wir beide nicht Platz machen könnten, drei Frauen auf einer Bank. Sonst hat noch niemand sonderlich geguckt. Beim Fahrkartenautomaten machen mir zwei Typen Platz, kurzer Blick. Ich habe noch ein sehr flaues Gefühl, aber die Reaktionen sind gelassen. Bisher läuft es sehr gut. Die Frauen beim Arzt ließen sich nichts anmerken. Ich muß noch wegen eines Rezeptes eine Weile warten. Beim Rausgehen hält mir ein älterer Herr die Tür auf, komisch.
In der Apotheke lächele ich die Frau an, die mich nicht einmal verabschiedet, so irritiert ist sie von dem Namen auf dem Rezept. Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz, vor Karstadt, nichts besonderes passiert.

Das ist einer der glücklichsten Momente in meinem Leben. Ich bin endlich ich, ohne Verkleidung und trotz 1,86 m. Wenn ich auch noch etwas ängstlich bin, fühle ich mich doch sehr erleichtert.
Ich sehe zwar immer noch “männliche” Züge an mir, bin wohl zu selbstkritisch. Obwohl, das dicke Ende kann noch kommen. Kaufe mir rote Ohrstecker, ohne Probleme. Schaue mir Frauenbücher an.
Eine Frau geht mit einem “Oh!” an mir vorbei und als ich ihr nachsehe, blickt sie mich an, als wenn sie mich mit jemanden verwechselt hätte. Mein Selbstvertrauen ist jedenfalls erschüttert. Fühle mich auch wieder mehr beobachtet.

Samstag

“Du siehst gut aus!”, damit verabschiedet sie mich und das tut mir sehr gut. Bartschatten leicht übergeschminkt, der ist nicht wegzuzupfen gewesen. Fühle mich wieder viel besser so.
Im Bus nach Planten und Blomen, Enten füttern, mit den Kindern. Keine Reaktionen. Die Leute kümmern sich nicht um mich. Wir gehen bei “Stilke” am Schaufenster vorbei. Dahinter schaut ein Mann heraus, sieht mich und lenkt seinen Blick auf meine Beine, Männerblick! Auf die Frauentoilette traue ich mich noch nicht, nur nichts Überstürzen. Eigentlich läuft es zu glatt, ich gewöhne mich hieran. Will es gar nicht mehr anders.

Sonntag

Es ist doch erstaunlich, die Leute wollen in mir die Frau sehen. Wir sind über den Jungfernstieg gegangen, zwischen hunderten von Sonntapsspaziergängern. Dann die Mönckebergstraße hoch und nicht eine Reaktion. Im Spiegel hätte ich x-mal den “Mann” in mir gesehen, aber niemand kümmert sich um mich. Selbst auf dem S-Bahnhof, nichts. Bin immer noch sehr ängstlich. Hier auf der Schanze beobachten mich zwei Typen. Eine Frau mit Kind, geht zu ihrem Mann und berichtet, sie sehen zu mir. “Entlarvt”? Ansonsten langweilig. Fühle mich unsicher, elend. Bin genervt. Nun sitzen wir im Bus und nichts ist passiert, Normalität?

Das Foto entstand kurz nachdem mir der Kontakt zu meinen Kindern verboten wurde. Ein damals üblicher Umgang mit lesbischen und/oder trans Frauen.

Montag

Morgens gleich ein Mädchen an der Bushaltestelle, sieht mich an. Nein, doch nicht gleich zu Anfang. Als ich in den Bus einsteige, fühle ich mich angesehen. Es läuft eigentlich wie die letzten Tage auch, die Leute interessieren sich nicht für mich. Dafür bin ich reichlich nervös und habe Anpst. Sollte es zu einer “Panne” kommen, breche ich das Ganze ab. Wenn diese quälende Unsicherheit nur nicht wäre, diese “FingerzeigeAngst”.

Thomas war der Erste, der mich so sah, guckte ganz schön. Kathi meinte, ob ich nicht einen “Schaden” hätte und ob ich nicht auffalle, ich sehe so weiblich aus. Frank und Thorsten lachten lauthals, auch Christian und Andreas. Die Frauen guckten alle, blieben aber cool. Ich bin zum Ausbilder rein, er hat Verständnis und unterstützt mich vorbehaltlos.
Ich saß also auf einem Tisch, bestaunt von den Leuten, schwitzend und nervös. Eine ganze Weile. Bis ich mich entschließe und mich in eine Ecke setze und um Aufmerksamkeit bitte. Zuerst kommen sie nicht heran und brabbeln noch. Ich spreche schlicht, etwas mürrisch: ich bin transsexuell, in ärztlicher Behandlung, müsse den Alltagstest machen und möchte jetzt Cornelia genannt werden. Fragen würde ich mich stellen. Alles absolut still. Ich war alleine, sie warfen mir nur noch merkwürdige Blicke zu. Bis sich schließlich Sabine zu mir setzt und sich alles erklären lässt und mich ganz toll findet. Ich erkläre ihr alles, soweit sie fragte. Das ist sehr lieb. Kathi kommt zu mir, meint, das wäre wieder ein “Spleen” von mir. Ich erkläre auch ihr soweit alles.
Traue mich nicht auf die Frauentoilette, kann aber auch nicht zu den Männern. Leide entsetzlich, quäle mich herum. Bin kaputt, genervt und warte ab. Sabine kämmt mir die Haare, Frauke unterhält sich mit mir. Ich ändere meine Stempelkarte.
Mit Frauke fahre ich in der S-Bahn zurück. Sie unterhält sich ganz ungezwungen mit mir. Sie meint, heute morgen habe sie mich fiir eine der Frauen aus der anderen Firma gehalten, ähnlich wie Sabine. Dass sie meinen Umstieg so ganz gut finde und daß sie meinen Mut bewundere. Es lief, im großen und ganzen sehr gut. Auch wenn die meisten an eine Marotte von mir glauben, haben sie hoffentlich begriffen, daß ich es ernst meine. Sie verhalten sich sehr zurückhaltend  und sehen darüber hinweg. Ich bin jedenfalls nicht ausgeschlossen worden, man reagiert auf mich.

Dienstag

Mein Selbstbewusstsein steht und fällt mit meinem Äußeren. Heute morgen habe ich das Gefühl, ich bekomme meinen Bartschatten nicht weggeschminkt. Ich will schon nicht los. Fühle mich entsetzlich unsicher. Stand nervös an der Bushaltestelle und fühle mich schrecklich beobachtet, als ich einsteige. Vor allem von einem jungen Mädchen mit ihrer Mutter. Von jungen Leuten fühle ich mich ohnehin ständig beobachtet.

Ein blöder Tag. Ich fühle mich schrecklich. Sabine meint, ich solle mich mit Rouge schminken. Frauke sagt, ich solle mich nicht so affektiert bewegen, das mache keine Frau. Ich bin fertig.
Sabine und Frauke sagen “Conny”, der Rest vermeidet es, mich mit Namen anzusprechen oder sagen “er”. Fühle mich sehr unsicher, bin müde, kaputt. Fühle mich nicht sehr wohl. Ich muß einen Bogen mit alten Namen ausstellen, Ätzkram. Ich habe keine Lust mehr.

In der S-Bahn nun auch noch drei Mädchen mir gegenüber . Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Stelle mir vor, wie die über mich tuscheln und auf mich zeigen. Ich bin völlig fertig und will im Erdboden versinken. Es ist sehr warm, was mir sehr zu schaffen macht.
Es ist sehr schlimm, dass ich keinen Busen habe und ich überlege, ob ich nicht Fehler mache, weil ich eine mögliche “Entlarvung” so erleichtere. Bin total mit Selbstzweifeln überfrachtet. Sah mich im Spiegel an, ob vielleicht Bartstoppeln durchschimmern, nicht mehr, als sonst auch. Was ich mich über diese Hitze ärgere. Mir läuft das Wasser runter, ich fühle mich “entdeckt”. Denke, ich werde ohnmächtig. Sie sitzen mir stumm gegenüber und ich sehe sie in meinem geistigen Auge sich gegenseitig zunicken, in Bezug auf mich. Ich stütze meinen Kopf in die Hand und kann nicht weiterschreiben. Aber als ich rausgehe, mühsam, sehen sie mir nicht einmal nach.
Im Bus fühle ich mich wieder beobachtet. Ich bin völlig fertig, fühle mich entrückt, weg. Obwohl es viel mehr Leute gibt, die nicht gucken, die mich durchgehen lassen, die zumindest so tun, fühle ich mich todunglücklich und bin müde und kaputt.